Pongs

„Die Toten sind unter den Lebenden, immerzu. Sie wohnen in den Erinnerungen, in den alten Fotos und den Briefen von damals. Sie ziehen durch die Träume. Sind gegenwärtig an den Familientischen, bei Kaffee und Kuchen, wenn von früher erzählt wird. Und sie verschwinden erst ganz, wenn auch die sterben, die sich an sie erinnern.“

Brief vom 9.1.1919 – geschrieben in Tours/Frankreich

31139 Willy Pongs Reservist

P.W.Labor.Co. 103
A.P.O. 708
Amer. E.F.

9.1.19 Meine liebe Marta!
Sende Dir bei guter Gesundheit die herzlichsten
Grüße und wünsche Dir ………….
Angehörigen ein recht fröhliches neues Jahr.
Es geht mir noch gut, was ich auch von
Euch allen hoffe, am liebsten möchte ich aber mal
wissen, wie es mit Dir ……………. ist.
Vor 8 Wochen habe ich die erste Karte
mit meiner Adresse an dich abgesandt,
……… aber bis heute noch keine Antwort
darauf, hoffentlich bekomme ich aber bald
wieder einmal Post von Dir und auch
von meiner Mutter möchte ich nochmal
ein Lebenszeichen haben. Wie ist es mit
meinen Brüdern, sind sie eigentlich noch mit
dem Leben davon gekommen oder sind sie
noch in letzter Stunde ein Opfer des Krieges
geworden, hoffentlich nicht. Nun grüße alle Lieben,
besonders meine Mutter und sei selbst noch
herzlich gegrüßt u. geküsst, von deinem Willy,
auf Wiedersehen und bleib mir treu.

Weidenfeld

2015 erschienen die Lebenserinnerungen des Herrn Weidenfeld. Direkte Nachbarn der Weidenfelds war die Familie Pongs. Der Onkel von Ulrich Weidenfeld, Albert Pongs, war zudem der Bruder von meinem Großvater Wilhelm.  

Ulrich Weidenfeld mit der Ziege meines Vaters. Scheinbar führte Herr Weidenfeld als Kind auch schon intellektuelle Gespräche mit meinem Großvater über posttraumatische Belastungsstörungen.

Seite 24:Auf seelische Belastungsstörungen durch Kriegserlebnisse wurde der achtjährige Ulrich im Spätherbst des Jahres 1940 durch Wilhelm Pongs, hingewiesen, der im Nebenhause wohnte und als Soldat im Ersten Weltkrieg, von 1914 bis 1918, in den deutsch-französischen Hauptkampfgebieten an der Somme und in Verdun zum kämpferischen Einsatz kam. Er erzählte von gleichaltrigen, bei Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 etwa 20jährigen jungen Deutschen und Franzosen, die vor ihrer menschlichen Reife wie Vieh auf die militärischen Schlachtfelder kommandiert und wenn sie nicht erschossen wurden, für den langen Rest ihres Lebens vielfach als seelisch gebrochene Menschen zurückkehrten. Spätfolgen in unterschiedlichster Art und Weise, wie Angstzustände, Depressionen, Konzentrationsmängel, Leistungsschwäche, Panikattacken, Schlafstörungen, Wahnvorstellungen, Wutausbrüche seien je nach persönlicher Veranlagung zu beobachten und je mehr Feuergefechte ein Soldat überlebte, umso belastender gestalteten sich die posttraumatischen Belastungen.“

Seite 189: „Der anfahrende Personenzug gewann in Kürze eine beachtliche Geschwindigkeit und während der schneller werdenden Fahrt hielten ihm bedrückende Ängste auf das zu erwartende Leid durch eine grenzenlose sich steigernde Kriegsmaschinerie gefangen, die Wilhelm Pongs, Hugos Vater, ihm vor einigen Wochen in erschreckender Weise vom ersten Weltkriege berichtete.“

Großvater Wilhelm Pongs (1885 –  1965) als Soldat im 1. Weltkrieg.

Theo Weidenfeld, der Vater von Ulrich, war als Soldat 1944 in Paris. Großvater schrieb Ihm am 22.8.1944 einen kurzen Brief, der seinen Empfänger aber nicht erreichte.

Lieber Herr Weidenfeld!
Für Ihren teilnahmsvollen Brief, zum Tode unserer lieben unvergesslichen Else, herzlichen Dank, wir können es immer noch nicht fassen und glauben, das unsere so liebe Else von uns ging. Jetzt ist es sehr einsam um uns geworden. Hoffen wir zu Gott das er uns tröstet in dieser furchtbaren Zeit. Wünsche Ihnen alles Gute und eine ???
Gruß Willi Pongs und Frau

Die Verleihungsurkunde „Ehrenkreuz für Frontkämpfer 1914/1918“ für Wilhelm Pongs

100 Jahre Polen – Im roten Nebel von Warschau

Am 11. November 1918 hat Polen nach 123 Jahren der Teilung zwischen Rußland, Österreich und Preußen seine nationale Unabhängigkeit wiedererlangt. 
100 Jahre später, am 11. November 2018, versank die polnische Hauptstadt beim alljährlichen Unabhängigkeitsmarsch im dichten roten Nebel!!!

There is no place like Warsaw !!!

Vaterlandsliebe

Schon während des 1. Weltkrieges hatte der Cousin von meinem Urgroßvater, Otto Wilhelm Kornelius Pongs aus Viersen eine Kriegsanleihe in Höhe von 15.000,- Mark zum „Gedächtnis der gefallenen Söhne“ der Stadt Viersen gestiftet. Die Geldsumme für ein Denkmal war jedoch nach Kriegsende durch die Inflation vollkommen wertlos geworden. 1925 stellte Otto Pongs für den gleichen Zweck erneut 10.000,- Mark zur Verfügung. Die feierliche Enthüllung des Denkmals fand am 8. August 1926 statt. Auf der Vorderseite des Sockels stehen lediglich zwei Worte:
F Ü R S  V A T E R L A N D
Auf der Rückseite befinden sich die Jahreszahlen
1914 – 1918
Das Denkmal befindet sich im Alten Stadtgarten von Viersen.

Meinem Großvater war die Liebe zum Vaterland immerhin noch 100 Mark wert – 1915 hat er eine wertlose Schuldverschreibung erworben und somit den 1.Weltkrieg mitfinanziert. 

Zwischen 1914 und 1918 hat sich mein Großvater für sein „Vaterland“ auch als Soldat engagiert.

1919 wurde meine Großvater vermißt. Er war in amerikanischer Gefangenschaft in Tours, beim Roten Kreuz in Genf gibt es noch seine Karteikarte.

Otto Pongs und die Windberger Mühle

Auf der Suche nach meinen Vorfahren fand ich zufällig im Internet eine Seite über Kriegsgefangene aus dem 1. Weltkrieg, darunter waren mein Großvater und sein Bruder Otto. Otto Wienand Pongs (1886 bis 1978) war ein Künstler, ein Lebenskünstler. Otto war Maler und Anstreicher. Seine Bilder hingen vor allem in Gaststätten, die es Heute längst nicht mehr gibt, wie dem Roten Gockel in Hatzenport (Mosel) oder dem Cafe Waldfrieden in Viersen. 

Das bekannteste Werk von Otto Pongs ist „Der Müller mit Mühle“. Im Jahre 1552 erhielt der Abt vom Gladbach vom Herzog von Jülich die Erlaubnis, auf dem „Tütenberg am Breidenbusch“ eine Windmühle zu errichten, die einzige Mühle im Gladbacher Land. Die Mühle brannte 1890 ab. Das zugehörige Mühlenhäuschen verschwand Mitte der 1990-er Jahre.

Eine Gedenktafel an der Venner Straße in Mönchengladbach erinnert an die Windberger Mühle. Das Mühlen-Bild auf dieser Gedenktafel ist von Otto Pongs.

Das künstlerische Schaffen des Otto Pongs gerät in Vergessenheit, unvergessen bleibt dagegen die Teilnahme des Landsturmmannes Otto Wienand Pongs vom Infanterie-Regiment „von Horn“ (3. Rheinisches) Nr. 29 der Preußischen Armee im 1. Weltkrieg.

Beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes in Genf gibt es Informationen über Otto Pongs, der 1917 bei Langemarck in Gefangenschaft geriet, unter der Registriernummer A 13877.

Cremanns in Polen

Cremanns ist ein sehr seltener Familienname in Polen. Bis jetzt konnte ich noch niemanden mit diesem Namen in Polen finden. In Tczew (Dirschau) kommt der Name einmal vor.

Peter Cremanns kam als Soldat im 1. Weltkrieg aus Köln nach Górzno. Er wurde verwundet und lernte im Lazarett von  Górzno Apolonia Kaminska kennen, die dort als Krankenschwester arbeitete.

Apolonia Kaminska und Peter Cremanns heiraten 1916 in Górzno. 

Am 11. Januar 1920 trat um 4 Uhr nachmittags der Versailler Vertrag in Kraft und Westpreußen wurde polnisch. 

Der Versailler Friedensvertrag gab das polnische Staatsbürgerrecht in den vom Deutschen Reich abgetretenen Gebieten (Westpreußen) nur denjenigen Deutschen, die dort geboren waren oder seit dem 1.1.1908 gewohnt hatten. Zwischen 1920 und 1926 verließen 600.000 bis 800.000 Deutsche die an Polen abgetretenen Gebiete von Posen und Westpreußen.

Damals ging auch Peter Cremanns wieder zurück ins Rheinland. Ich vermute das Peter Cremanns als Deutscher aus Polen ausgewiesen wurde !

Apolonia und Peter Cremanns hatten zwei Kinder. Viele Menschen mit dem Familiennamen Cremanns kann es daher in Polen auch nicht geben !!!

Nach seiner kurzen Zeit in Górzno hatte Peter Cremanns aber immer noch Kontakt zur Familie – denn er hat meine Urgroßeltern in Essen-Schonnebeck besucht. Einsicht in das komplizierte Familienleben der Cremanns hatten wohl erst die Nazi-Deutschen. Nach zwanzig Jahren der Trennung gab es, während des Krieges eine Familienzusammenführung. Ehefrau, Tochter, Schwiegersohn und Enkelkinder kamen nach Haiger in den Lahn-Dill-Kreis. Dort lebte auch Peter Cremanns.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Familienzusammenführung der Nazis so ganz freiwillig erfolgte. Meine Großmutter erzählte mir, das ihre Cousine Gertrud Ansel (Kaminska, Cremanns) ein „P“ auf der Kleidung tragen mußte und als Sklavenarbeiterin in der Rüstungsindustrie tätig war.

Peter Cremanns war zwar Deutscher, aber eins war Peter Cremanns sicher nicht, ein Nazi. Scheinbar waren der 1. Weltkrieg, anschließend die Zeit in Polen und die Trennung von der Familie so prägend für Peter Cremanns, das er in der Erforschung der Bibel seine Zuversicht gesucht hat.

Als Bibelforscher (Zeuge Jehovas) war Peter Cremanns in einem deutschen Konzentrationslager und das macht diese deutsch-polnische Familienzusammenführung während des Krieges so kompliziert.

1400 Mark in Górzno verloren – 1916

1917 gaben die Stadt- und Polizeiverwaltung in Górzno Notgeld in Form von Gutscheinen heraus. Richtiges Geld war zum Ende des Krieges knapp. Skurill ist daher die Nachricht in der Presse aus Thorn (Toruń) vom 11. Juni 1916 über den Verlust der hohen Summe von 1400 Mark. Allerdings ist fraglich, ob der Rat der Thorner Presse das Geld zur Sparkasse zu bringen, viel besser gewesen wäre.

Die Presse, Ausgabe Nr. 136 vom 11. Juni 1916, Seite 2, berichtet in der Rubrik „Provinzialnachrichten“ folgendes:
Strasburg, 8. Juni. Ihr ganzes Vermögen in den Rock eingenäht hatte eine Frau in Gorzno. Wenn sie sich allein wähnte, stellte sie durch auftrennen der Naht fest, daß ihr Schatz noch vorhanden war, und erfreute sich daran. Eines Tages war ihr Schatz im Betrage von 1400 Mark fort und die Frau vermag nicht anzugeben, ob sie ihr Geld verloren hat oder ob die wertvollen Scheine einen anderen Liebhaber gefunden haben. Durch Anzeige setzt sie nun 100 Mark Belohnung dem „ehrlichen Finder“ aus, der ihr das verschwundene Kapital wiederbringt. Ob es was nützen wird, ist eine andere Frage. Sie hätte jedenfalls besser getan, das Geld vorher auf die Sparkasse zu bringen.