Der Novemberaufstand von 1830/31 (1)

Auf dem Marktplatz in der polnischen Kreisstadt Brodnica, dem früheren Strasburg, Westpreußen, erinnert eine kleine Skulptur an die Ereignisse im Oktober 1831. Der Novemberaufstand der Polen war gescheitert, die Reste der polnischen Armee überquerten am 5. Oktober 1831 bei Brodnica die preußische Grenze und legten die Waffen nieder, Mit der Niederschlagung des Aufstandes begann die Grande Émigration (polnisch: Wielka Emigracja), die Flucht der polnischen Elite, Soldaten, Offiziere, Literaten und Künstler in das westliche Europa,  vor allem nach Frankreich. 

Das Bild „Finis Poloniae. Abschied der Polen von ihrem Vaterlande“ malte Dietrich Monten 1832. Um einem Grenzstein mit der Aufschrift „Finis Poloniae“ versammeln sich trauernde polnische Offiziere mit einer zerrissenen Fahne. Monten erinnert mit seinem Bild an den gescheiterten Novemberaufstand von 1830 sowie den Grenzübertritt der polnischen Truppen nach Preußen im Oktober 1831. Das Bild hängt in der Berliner Nationalgalerie.

Dietrich Monten: „Finis Poloniae 1831“ , bpk / Staatliche Museen zu Berlin / Andreas Kilger

Der gelbe Pfeil: Der Grenzstein befindet sich in der Nähe der Bachor Mühle, zwischen Górzno und Jastrzębie und die Grenze teilte Rußland und Preußen.

Der orange Pfeil: General Maciej Rybiński  (*24. Februar 1784 in Slawuta; †17. Januar 1874 in Paris) war der letzte Oberbefehlshaber während des Novemberaufstandes von 1830/31 und führte die polnische Armee am 5. Oktober 1831 nach Preußen

Der rote Pfeil: Das ist die Bauernkate von meinem Urahn Michael Piotrowski in Zaborowo, durch dessen Vorgarten, die polnische Armee mit 19.877 Personen, darunter 9 Generäle, 89 Stabsoffiziere und 416 Unteroffiziere nach Brodnica zog. Mit dabei 95 Kanonen mit Gespannen, 5.280 Kavalleriepferde und 2.556 Artilleriepferde. Zusammen mit der Armee gingen auch die aufständischen Behörden, darunter der letzte Präsident der Nationalregierung, Bonawentura von Niemojowski, sowie Mitglieder des Sejm und zahlreiche Politiker ins Exil.

Auf dem Kartenausschnitt sind die preußisch-russische Grenze, die Bachor Mühle und die Dörfer Zdroje und Zaborowo in Westpreußen zu sehen. Die Mühle von Bachor war der erste Ort in Preußen den General Rybiński mit seinen Soldaten erreichte. Entlang des Flußes Pissa zog die Armee dann weiter Richtung Bartnitzka.

W.v.Dankbahr, Kapitain im Königlich Preußischen Generalstabe schrieb 1832 u.a.: „Auf Grund des getroffenen Uebereinkommens überschritten am 5 ten Oktober 1831 die Reste der polnischen Hauptarmee von Sczutowe her, das preußische Gebiet zu Jastrziembien und nach der Bachor-Mühle, legten die Waffen nieder und bezogen die ihnen angewiesenen Bivouak Plätze mit der Hauptmasse bei Strasburg und mit einer kleinen Abtheilung bei der Bachor Mühle, von preußischen Truppen, Sanitäts-Rücksichten wegen, umschlossen.“

Die „Sanitäts-Rücksichten“ beziehen sich vermutlich auf die Cholera. Die gegen den polnischen Novemberaufstand eingesetzten russischen Truppen brachten die aus Indien kommende Cholera 1831 nach Europa. Alternativ kommt die Ruhr in Frage, im Lager an der heutigen Ulica Sądowa in Brodnica müssen die hygienischen Zustände, den Berichten nach, katastrophal gewesen sein. 

Polnischer Flüchtling 1831, Quelle Wikipedia, gemeinfrei

Die polnischen Soldaten wurden 1831 von meinem Urahn Michael Piotrowski in seiner armseligen Bauernkate in Zaborowo begeistert begrüßt.  

Julius Mosen   (1803-1867) beschreibt in seinem Gedicht „Die letzten Zehn vom vierten Regiment“ den gescheiterten Aufstand und den Weg der letzten zehn Grenadiere nach Preußen.

Stahlstich „Die letzten zehn des 4. Regiments“ von Georg Benedikt Wunder (1786–1858), Quelle Wikipedia gemeinfrei

„In Warschau schwuren Tausend auf den Knien
Kein Schuss im heil’gen Kampfe sei getan!‘
Tambour, schlag an! Zum Schlachtfeld lasst uns ziehen –
Wir greifen nur mit Bajonetten an!
Und ewig kennt das Vaterland und nennt
Mit stillem Schmerz sein viertes Regiment!

 Und als wir dort bei Praga blutig rangen
Kein Kam’rad hat einen Schuss getan
Und als wir dort den Blutfeind zwangen –
Mit Bajonetten ging es drauf und dran!
Fragt Praga, das die treuen Polen kennt –
Wir waren dort das vierte Regiment!

Drang auch der Feind mit tausend Feuerschlünden
Bei Ostrolenka grimmig auf uns an
Doch wussten wir sein tückisch‘ Herz zu finden –
Mit Bajonetten brachen wir uns Bahn!
Fragt Ostrolenka, das uns blutend nennt –
Wir waren dort das vierte Regiment!

Und ob viel wack’re Männerherzen brachen
Doch griffen wir mit Bajonetten an!
Und ob wir auch dem Schicksal unterlagen
Doch hatte keiner einen Schuss getan!
Wo blutigrot zum Meer die Weichsel rennt
Dort blutete das vierte Regiment!

Doch weh, das heil’ge Vaterland verloren!
Ach fraget nicht, wer uns das Leid getan!
Weh allen, die in Polenland geboren
Die Wunden fangen frisch zu bluten an!
Und fragt ihr, wo die ärgste Wunde brennt –
Ach, Polen kennt sein viertes Regiment!

Von Polen her im Nebelgrauen rücken
Zehn Grenadiere in das Preußenland
Mit dumpfem Schweigen, gramumwölkten Blicken
Ein „Wer da?“ schallt – sie stehen fest gebannt!
Und Einer spricht : „Vom Vaterland getrennt –
Die letzten Zehn vom vierten Regiment!“

Ade, ihr Brüder, die zu Tod getroffen
an unsrer Seite dort wir stürzen sahn
Wir leben noch, die Wunden stehen offen
und um die Heimat ewig ist´s getan
Herr Gott im Himmel, schenk´ ein gnädig End´,
uns letzten noch vom vierten Regiment.“

Vergewaltigung im Walde – 1884

Die Thorner Presse, Ausgabe Nr. 278 vom 26. November 1884, Seite 3, berichtet in der Rubrik „Aus dem Schwurgericht“ folgendes:
Gegen den Einwohner Anton Kuczminski aus Zaborowo, zuletzt in Pr. Lanke, gegen die Sittlichkeit und Raubes. Der Vorgang, wie ihn die Anklage schildert, ist in kurzem folgender. Die unverehelichte Rogaszynski, aus Polen kommend, hatte die Absicht, ihren bei Strasburg wohnenden Onkel zu besuchen. Als sie die Chausse von Lautenburg nach Strasburg passierte, gesellte sich der Angeklagte zu ihr, welcher ihr seine Begleitung anbot, da er einen näheren Weg nach Strasburg, der durch einen Wald führe, wisse. Das arglose Mädchen nahm die Begleitung Kuczminski´s an. Im Walde angekommen verlangte plötzlich jedoch K. von dem Mädchen Geld und als dieses ihn ängstlich frug, wie viel er haben wollte, warf er sie zu Boden und vergewaltigte sie. Das Mädchen, welches um Hilfe schrie, schüchterte er mit der Drohung, sie zu ermorden, wenn sie weiter schreie, ein. Nach der That raubte er der P. Rogaszynski noch ein Paket, welches sie bei sich trug und in dem sich ein Umschlagetuch und ein paar Schuhe befanden, sowie den Betrag von 5,50 Mark. – Die Staatsanwaltschaft hatte, in Anbetracht des Umstandes, daß das Verbrechen auf öffentlicher Straße ausgeführt, eine Zuchthausstrafe von 6 Jahren beantragt. Der Gerichtshof erkannte auf 5 ½ Jahr Zuchthaus.