Fürs „Vaterland“ gefallen (1914 – 1918)

„Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen“, sagte der SPD-Politiker und Verteidigungsminister Boris Pistorius am Sonntag, den 29. Oktober 2023, in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.

Schon während des 1. Weltkrieges hatte der Cousin von meinem Urgroßvater, der Viersener Fabrikant Otto Wilhelm Kornelius Pongs eine Kriegsanleihe in Höhe von 15.000,- Mark zum „Gedächtnis der gefallenen Söhne“ der Stadt Viersen gestiftet. Die Geldsumme für ein Denkmal war jedoch nach Kriegsende durch die Inflation vollkommen wertlos geworden. 1925 stellte Otto Pongs für den gleichen Zweck erneut 10.000,- Mark zur Verfügung. Die feierliche Enthüllung des Denkmals fand am 8. August 1926 statt. Auf der Vorderseite des Sockels stehen lediglich zwei Worte:
F Ü R S  V A T E R L A N D
Auf der Rückseite befinden sich die Jahreszahlen
1914 – 1918
Das Denkmal befindet sich im Alten Stadtgarten von Viersen.

In der Nähe von Lens befindet sich der Ring der Erinnerung. Eine der größten Gedenkstätten der Welt mit 579.606 Namen von gefallenen Soldaten des 1. Weltkrieges in Nord-Pas-de Calais (französisches Flandern und Artois). Unter den fast 580.000 verzeichneten Namen der Gedenkstätte befinden sich Theophil Kaminski aus Zdroje und Felix Scheffler aus Polnisch Brzozie.

Theophil Kaminski aus Zdroje ruht auf der Kriegsgräberstätte in Carvin, Endgrablage Block 5 Grab 491. Theophil Kaminski fiel als Ersatz-Reservist am 28. Juli 1917.

Felix Scheffler ruht auf der Kriegsgräberstätte in Laventie, Endgrablage Block 3 Grab 95. Felix Scheffler fiel am 11. April 1918.

Heinrich Calmund aus Heimersheim (Ahr) ruht auf der Kriegsgräberstätte in Vermandovillers, Endgrablage Block 4 Grab 1304. Heinrich Calmund fiel am 24. April 1918 in Hangard. Auf dem Friedhof von Heimersheim befindet sich ein Gedenkstein mit den Namen der gefallenen Soldaten aus dem Ort.

Denkmal für die gefallenen Soldaten des 1. Weltkrieges auf dem Friedhof in Heimershein (Ahr) 

Aus dem Fotoalbum von Willy Pongs

Joseph Jendrian aus Gelsenkirchen ist vermutlich als unbekannter Soldat auf die Kriegsgräberstätte Souain überführt worden. Unter den gefallenen Soldaten im Kameradengrab befindet sich auch der Maler August Macke. Joseph Jendrian ist am 3.10.1915 bei Perthes in der Champagne gefallen. Zwischen dem 25. September und dem 6. November 1915 fand die Herbstschlacht in der Champagne statt. Die angreifenden Franzosen verloren in dieser Schlacht fast 145.000 Mann, die Deutschen etwa 72.000 Mann, davon kamen 17.500 Soldaten in Gefangenschaft. Die gescheiterte Offensive und die umsonst gebrachten schweren Verluste führten bei den Franzosen zu einer innenpolitischen Krise, u.a. wurden der Ministerpräsident und Kriegsminister ersetzt.

Boleslaus Lenski aus Gelsenkirchen, Wehrmann im Infanterie-Leibregiment 117, fiel am 13. November 1915 vormittags um 9.30 Uhr infolge eines Kopfschusses östlich der Serre. Ein Grab von Boleslaus Lenski gibt es nicht.

Eintrag in der Verlustliste 1916

Peter Piotrowski aus Zaborowo, 5. Kompanie des Westpreußischen Infanterie-Regiment Nr. 176, starb 1916. Ein Grab von Peter Piotrowski gibt es nicht, in der Verlustliste vom 12.10.1916 sowie in der Thorner Presse vom 18.10.1916 wird der Tod gemeldet. Die Schlacht an der Somme war eine der größten Schlachten an der Westfront des Ersten Weltkrieges. Sie begann am 1. Juli 1916 im Rahmen einer britisch-französischen Großoffensive gegen die deutschen Stellungen. Sie wurde am 18. November desselben Jahres abgebrochen, ohne eine militärische Entscheidung herbeigeführt zu haben. Mit über einer Million getöteten, verwundeten und vermissten Soldaten war sie die verlustreichste Schlacht der Westfront während des Ersten Weltkriegs.

Thorner Presse vom 18. Oktober 1916

Aus dem Fotoalbum von Willy Pongs

Paul Pongs aus Rheine war Angehöriger der 7. Kompagnie des Infanterie-Regiment „Herwarth von Bittenfeld“ (1. Westfälisches) Nr. 13. Das Regiment wurde ausschließlich an der Westfront in Belgien und Frankreich eingesetzt, unter anderem bei Lüttich, Namur, St. Quentin, Reims, Lille, Verdun und Sedan. Der Einsatz in der Schlacht um Verdun 1917 war besonders verlustreich. Vermutlich fiel Paul Pongs 1917 bei den Kämpfen am Höhenzug Chemin des Dames (Damenweg). Der Höhenzug Chemin des Dames gehörte zu den stark umkämpften Regionen der Westfront (Zone rouge); auf wenigen Quadratkilometern fand eine der blutigsten Materialschlachten des gesamten Krieges statt. Ein Grab von Paul Pongs gibt es nicht. In Rheine wurde zwischen 1925 – 1927 auf dem Thieberg ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet. Die Inschrift des Denkmals lautet „Unseren 780 gefallenen Kameraden – der Kriegerbund Rheine“ und erinnert an die Kämpfe in der Südsee, Gorlice, Karpathen, Tannenberg, Somme, Verdun, Kiautschou, Champagne, Marne, Balkan, Isonzo, Skagerrak, Flandern und Arras. Verzeichnet ist auch Paul Pongs.

Anzeige am 25. Januar 1925 im Rheiner Volksblatt mit der Liste der gefallenen Soldaten

Zum Gedenktag der Toten des Weltkrieges erschien am 25. Januar 1925 in der Münsterländischen Volkszeitung – Rheiner Volksblatt ein Verzeichnis der aus St. Dionysius-Pfarrgemeinde gefallen Soldaten. „Die beinahe vollendete Kriegerkapelle wartet daran an ihren Wänden in goldenen Lettern die Namen zu verewigen. Mit der Eingravierung der Namen wird in Bälde begonnen werden. Sollten noch Namen von Gefallenen oder Vermißten fehlen, bitte ich, mir dies bis nächsten Sonntag mündlich und zugleich auch am besten schriftlich gütigst mitzuteilen. Zu Ostern soll dann hoffentlich die Kapelle dauernd in Gebrauch genommen werden können und das Andenken der treuen toten Krieger für Jahrhunderte in Ehren erhalten. Fabry, Pfarrer“

Otto Pongs aus Winterwijk (Niederlande) wird seit dem 21. Oktober 1917 vermißt. Er meldete sich freiwillig zum Krieg und war Angehöriger der 12. Kompanie des Infanterie-Regiment „Hamburg“ (2. Hanseatisches) Nr. 76. Einer Karteikarte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) ist zu entnehmen, das Otto Pongs laut Nachricht des Kommandanten in einem französischen  oder englischen Kriegslazarett aufgenommen wurde. Übrig blieb nur ein Karteiblatt des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK).

Karteikarte der Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK)

Wehrmann Anton Kaminski aus Zdroje ist seit den ersten Kriegswochen in Masuren vermißt. Die Angabe Bolleschin (Boleszyn) bei Lautenburg (Lidzbark) in der Verlustliste bezieht sich auf den Geburtsort. Anton Kaminski ist der Bruder des 1917 bei Carvin gefallenen Theophil.Eintrag in der Verlustliste von 1914

Aus dem Fotoalbum von Willy Pongs

Tief im Osten, liegt das Dorf Kremesch (Кремеш, Кремеш, Kremasz) – Wolhynien, dort starb in einem österreichischen Feldlazarett am 19. Oktober 1916 Robert Esser, Leutnant der Reserve, aus Bocholt. Ein Grab gibt es von Robert Esser nicht. Verzeichnet ist er in der Verlustliste des Infanterie-Regiment Markgraf Karl (7. Brandenburgisches) Nr. 60.

Auszug aus der Verlustliste des Kriegstagebuches des Infanterie-Regiment Markgraf Karl (7. Brandenburgisches) Nr. 60

Auszug aus dem Gefechtskalender des Kriegstagebuches des Infanterie-Regiment Markgraf Karl (7. Brandenburgisches) Nr. 60

Lageplan der Schlacht bei Kowel in Wolhynien 1916

1916 – Das Unglück von Wompiersk

Am 25. Oktober 1916 erschien Anton Jendrian auf dem Standesamt in Wompiersk und zeigte den Tod des Kätners Joseph Rosinski, Wehrmann im 1. Kompanie Landsturm-ErsatzBataillon XVII.20 (XVII. Armee-Korps in Danzig) an. Laut Sterbeurkunde war Johann Rosinski 43 Jahre alt und verheiratet mit Anna Karbowska. Er starb, nach Angabe auf der Sterbeurkunde, in der Wohnung des Anzeigenden am 24. Oktober 1916 vormittags um 11.30 Uhr.

Den Tod von Anna Rosinska, geborene Karbowska, 38 Jahre alt, zeigte Anton Jendrian ebenfalls an. Anna Rosinska starb nach Angabe auf der Sterbeurkunde in der Wohnung des Anzeigenden am 24. Oktober 1916 vormittags um 11.30 Uhr.

Am 24. Oktober 1916 um 11.30 Uhr verstarb in der Wohnung des Anton Jendrian auch Waclaw Rosinski, zwölf Jahre alt und Sohn von Joseph und Anna Rosinski.

Anton Jendrian zeigte ebenfalls den Tod von Joseph Simetkowski, 19 Jahre alt und ledig, an. Die Eltern von Joseph waren der verstorbene Kätner Johann sowie Angelika (geb. Rosinska) Simetkowski. Auch Joseph Simetkowski verstarb am 24. Oktober 1916 um 11.30 Uhr in der Wohnung des Anton Jendrian.

Angaben zu den Todesursachen werden auf den vier Sterbeurkunden nicht gemacht.

Was geschah am 24. Oktober 1916 in der Wohnung des Kätners Anton Jendrian?

Anton Jendrian war der ältere Bruder meines Urgroßvaters. Ein Kätner war ein abhängiger Kleinbauer oder Tagelöhner, der in einer Kate wohnt. Wompiersk (Wapiersk) ist ein kleines Dorf in Kreis Strasburg (Brodnica) in der ehemaligen Provinz Westpreußen. Anton Jendrian war mit Katharina Rosinska verheiratet. Katharina verstarb am 17. September 1916, 37 Tage vor dem Unglückstag. Katharina war die Schwester des am 24. Oktober 1916 verstorbenen Joseph Rosinski und von Angelika Simetkowska, geb. Rosinska, der Mutter des verstorbenen Joseph Simetkowski.

Am 24. April 1917 heiratete Anton Jendrian dann die Witwe Angelika Simetkowska, geb. Rosinska. Anton Jendrian hatte ein enges Verhältnis zur Familie Rosinski aus Wompiersk.

Ein kriegerisches Ereignis in Wompiersk war für den 24. Oktober 1916 auszuschließen, der Frontverlauf war 1916 weit östlicher. Eine Antwort zum Unglück von Wompiersk fand ich zufällig in „Die Presse“, der ostmärkischen Tageszeitung aus Thorn (Torun). Die Presse berichtete am 1. November 1916 über ein tragisches Unglück in Wompiersk.

„Wompiersk, Kreis Strasburg, 28. Oktober. (Fünf Personen ertrunken.) Ein bedauernswertes Unglück hat sich hier ereignet. Besitzer Roszinski aus Wompiersk, der aus dem Felde auf Urlaub gekommen war, hatte seinen Torf wegen des schlechten Weges auf dem kürzeren Wege nach Hause schaffen wollen. Er lud den Torf auf einen Kahn und fuhr mit diesem über einen 100 Meter breiten Teich. Bei der letzten Fuhre setzten sich noch dessen Ehefrau, der Sohn, Knecht und Magd auf den Kahn, welcher in der Mitte des Teiches so schnell sank, daß alle fünf Insassen, da keine Hilfe zur Stelle war, ertranken.“

Nachricht über das Unglück in der Thorner Presse

Am 31. Oktober 1916 schrieb die Berliner sozialdemokratische Parteizeitung „Vorwärts“: Fünf Personen bei einer Kahnfahrt ertrunken. Aus Posen wird gemeldet: Als der aus dem Felde beurlaubte Besitzer Roszinski aus Wompiersk im Kreise Straßburg (Westpreußen) auf einem mit Torf beladenen Kahn über den 100 Meter breiten Teich nach Hause fahren wollte, sank der Kahn in der Mitte des Teiches und mit ihm fünf Personen: Roszinski, seine Ehefrau, sein Sohn, der Knecht und die Magd. Die Leichen sind noch nicht gefunden worden.“

Nachricht über das Unglück im Vorwärts

Die Meldung über das Unglück finden sich u.a. in den Lokalblättern „Der Gemeinnützige“ aus Iserlohn, der Lüner Zeitung, Das Volk aus Siegen, der Remscheider Zeitung, der Geldernsche Zeitung, der Dorstener Volkszeitung und Wochenblatt, dem Erft-Boten aus Bedburg. Am 3. November 1916 erschien die Nachricht in der Sächsische Dorfzeitung und Elbgaupresse, mit Loschwitzer Anzeiger, Tageszeitung für das östliche Dresden und seine Vororte sowie einen Tag später im General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen.  

„Fünf Menschen ertrunken. Ein schweres Unglück hat sich in Strasburg (Westpreußen) ereignet. Der in Wompiersk wohnende Besitzer Roszinski wollte seinen Torf des schlechten Landweges wegen auf einem Kahn über einen etwa 200 Meter breiten Teich nach Hause schaffen. Bei der letzten Fuhre setzten sich noch seine Frau, sein Sohn, ein Knecht und eine Magd auf den Kahn. In der Mitte des Teiches schlug das Fahrzeug plötzlich um und alle fünf Personen ertranken.“

Nachricht über das Unglück im General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen

Wie könnte ein mit Torf beladener Kahn ausgesehen haben?

Torfkahn in den Niederlanden, Quelle Wikipedia, Baykedevries
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Turf_praam.jpg), „Turf praam“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Der Jellen-See bei Wompiersk/Wapiersk

Der Unglückort von 1916 könnte sich möglicherweise am Jellen-See bei Wompiersk/Wapiersk befinden.  Zumindest ist die Frage geklärt, was am 24. Oktober vormittags um 11.30 Uhr in Wompiersk, Kreis Strasburg, Westpreußen, geschah. Über die ertrunkene und unbekannte Magd des Besitzers Rosinski finden sich keine Hinweise.

Otto Pongs und Graf „Wölfi“ Berghe von Trips

Soldatenfriedhof Ittenbach, 21. Oktober 2023

Der „Heldentod“ meines Onkels Otto hat die deutsche Bürokratie mehrere Jahre beschäftigt. Laut Karteikarte wurde meinen Großeltern der Tod am 28.7.1950 bestätigt, vorher gab es einen intensiven Schriftverkehr zwischen der Wehrmachtauskunftstelle, dem Einwohnermeldeamt in Kiel, dem Bürgermeister von Aegidienberg, dem Pfarrer in Windhagen und meinem Großvater. Das mein Onkel im März 1945 gefallen und am Waldrand von Rederscheid begraben wurde, wußten meine Großeltern schon kurz nach Kriegsende. Tot ist tot – für die deutsche Bürokratie offensichtlich nicht.

Wolfgang Alexander Albert Eduard Maximilian Reichsgraf Berghe von Trips (1928 – 1961 Unfalltod in Monza beim Großen Preis von Italien) und letzter Nachkomme des niederrheinischen Adelsgeschlechts verbrachte die Kriegsjahre im abgeschiedenen Westerwalddorf Rederscheid in einem „Ferienhaus“ bei der Familie Manz.

Burg Hemmersbach bei Horrem, war 1751 bis zum Unfalltod der Stammsitz der Familie Berghe von Trips. Graf Berghe von Trips, Senior, war in den 1940er Jahren der Pächter des Jagdgebietes der Gemeinde Rederscheid.

Am 7. März 1945 eroberte die 9. US-Panzerdivision überraschend die Eisenbahnbrücke bei Remagen über den Rhein. Die Deutschen versuchten alles, um die strategisch wichtige Brücke zu sprengen. 10 Tage später stürzte die Brücke ein, zu diesem Zeitpunkt hatte sich die US-Army schon auf der rechten Rheinseite festgesetzt. Der Rheinübergang am 7. März 1945, hatte erhebliche psychologische Wirkung. Die US-Armee ging nun voller Optimismus in die letzten Kämpfe. Und die deutschen Soldaten wussten nun ebenso wie die Zivilbevölkerung, dass der Krieg verloren war. Nach der Eroberung der Rheinbrücke war das nächste strategische Ziel die Autobahn bei Aegidienberg um die deutschen Truppen von der Versorgung abzuschneiden. Die 9. US-Panzerdivision besetzte nach schweren Kämpfen Aegidienberg am 16. März 1945. Das hartumkämpfte Dorf Rederscheid fiel am 17. März 1945 in amerikanische Hände. Otto Pongs fiel laut Angabe der Karteikarte zwischen den 12. und 18. März bei den Kämpfen in der Gemeinde Aegidienberg, Grablage Waldrand Rederscheid.

Am Waldrand wurde Otto Pongs und weitere gefallene Soldaten u.a. von „Wölfi“ Berghe von Trips nach den Kampfhandlungen begraben. Der Graf schrieb meinen Großeltern einen Brief und informierte Sie über den Tod.

Einige Monate später waren mein Vater und sein Onkel Hugo dann in Rederscheid am Grab. Den letzten Brief hatte mein Onkel am 2. Februar 1945 aus Fanö in Dänemark geschrieben. Daher war der „Einsatz“ im Siebengebirge kurz vor Kriegsende schon eine Überraschung für die Angehörigen.

Die Reichsgräfin hatte in ihrem Schweizer Internat eine Schulfreundin aus dem Hause Pongs, daher war Ihr der Familienname und Gladbach bestens vertraut. Auf die Frage, ob mein Onkel ihre Schulfreundin kennen würde, antwortete er mit ja, das ist meine Tante. Vielleicht ging es in dieser schweren Kriegszeit einfach nur darum, sich einmal satt zu essen. Als mein Vater mit seinem Onkel 1945 bei der Familie Berghe von Trips in Rederscheid waren, hat Onkel Hugo die wahrsten Märchen über „seine“ Schwester erzählt. Mein Vater fand das ganz nur peinlich. Vielleicht wollte Onkel Hugo nur die Gunst der Stunde nutzen um sich auch einmal satt zu essen.

Warum fragen wir nicht, was Opa getan hat ??? (1)

Ein beliebtes Thema im Mainstream ist die Frage, was hat Opa im Krieg gemacht? Die Frage interessiert mich auch! 

Mein Opa, Georg Calmund, war von 1939 bis 1945 als Soldat in Europa unterwegs. Wenn man genauer bei Behörden und Archiven nachfrägt, wie zuletzt bei Herrn Dr. Klefisch, Abteilungsleiter im Landesarchiv NRW, erhält man als Antwort, ein Georg Calmund ist in unseren Findmittel nicht aufzufinden.

War mein Opa vielleicht ein böser Nazi oder hat das Landesarchiv NRW die Gerichtsakte des Sondergerichtes Düsseldorf von Georg Calmund aus dem Jahr 1941 wegen „Bedeutungslosigkeit“ ganz einfach entsorgt? Eine Antwort auf diese Frage habe ich von Herrn Dr. Klefisch nicht erhalten. 

Auskunft der Leiters der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, der Bastian Fleermann: „sämtliche Unterlagen des SG (Sondergericht) Düsseldorf werden im Duisburger Landesarchiv aufbewahrt.“ Die gleiche Auskunft erhielt ich vom Amtsgericht und vom Stadtarchiv in Düsseldorf.

Im Dezember 1934 erließ die Reichsregierung das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei“. Dieses so genannte Heimtückegesetz stellte „gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen“ unter Strafe.

Verurteilung, Haftstraße und anschließende Entlassung bei der Firma Rheinmetall sind dem Wehrstammbuch meines Großvaters zu entnehmen.

Aus dem Buch „Heimtücke:“ Das Gesetz als Waffe von Bernhard Döner, Paderborn 1998: Denunzianten und Gestapobeamte, die Vernehmungen vorgenommen und die Strafverfolgung eingeleitet hatten, wurden in den ersten Nachkriegsjahren oftmals zur Rechenschaft gezogen. Die Mehrzahl der Richter und Staatsanwälte blieben straffrei. Den Opfern des Heimtückegesetzes blieb eine Haftentschädigung meist verwehrt, weil sie nicht nachweisen konnten, dass ihre Äußerung eine „wirklich fundierte eindeutige politische Haltung“ und Überzeugung offenbare.“

Warum fragen wir nicht, was Opa getan hat ???

Jan Staszynski und sein Mörder (1)

Am 15. Juni 2020 stellte ich bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach eine Strafanzeige gegen Gottlieb Schmidt, Tatvorwurf Mord. Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahren wegen der Tötung des Johann (Jan) Staszynski im ehemaligen Konzentrationslager Stutthof wurde abgesehen, da der angezeigte Gottlieb Schmidt bereits 1959 verstorben war. Von der Anzeige hatte ich mir Informationen über das Leben des Jan Staszynski erhofft. Auch hätte ich gerne etwas mehr über Gottlieb Schmidt erfahren. 

Schmidt, war 1943 in Stutthoff auch am Tod des Cousins von Jan Staszynski, Franz Krajnik beteiligt. Einen Mörder mit dem Allerweltsnamen Schmidt zu suchen ist schwierig.

Jan Staszynski ist 1913 in Horst, heute ein Stadtteil von Gelsenkirchen, geboren und aufgewachsen. Auf der Cranger Straße in Gelsenkirchen-Erle gibt es die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“. Es hätte mich sehr überrascht, wenn das Schicksal des NS-Opfer Jan Staszynski dort bekannt wäre!  Die Horster Juden trafen sich in einem angemieteten Betsaal in der Franzstr. 3, der heutigen Industriestr. 100 (Ecke Markenstraße). Familie Staszynski wohnte gegenüber des Betsaales in der Franzstraße 2. 

Auf Spurensuche fand ich in der nordfranzösischen Stadt Douai das Grab von Vater Francois (Franz bzw. Franciszek) Staszynski und der Schwester von Jan, Janina. Das macht die Geschichte des Jan Staszynski noch komplizierter.

1914 – Russische Horden auf dem Marktplatz von Gorzno

Aus der Thorner Presse vom 2. September 1914:
Wie die Russen um Gorzno Krieg führten, darüber berichtet die „Strasburger Zeitung“: Es stürmten plötzlich etwa 40 russische Reiter im vollsten Galopp in das Städtchen Gorzno bis auf den Marktplatz. Dort machten sie Halt. Alle Telegraphenstangen wurden umgehauen. Dann plünderten sie das Warenhaus D. Kasper; die Waren schafften sie auf Gorznoer Fuhrwerken über die Grenze. Post und Zollamt sind aufgelöst. Nachdem all dies geschehen war, kam das Gros der Russen, annähernd 4000 Mann russische Kavallerie, angesprengt mit Feldküche und einigen Kanonen, sowie sämtlicher Bagage. Sie schlugen den Weg nach Radosk ein, bogen dann in den Weg nach der Oberförsterei Ruda ein, wo ebenfalls die Telegraphenstangen an der Chaussee abgehauen wurden, und begaben sich nach Guttowo Gut. Dort loderten bald Feuersäulen auf. Unsere Radfahrerkompagnie begegnete dem Feinde, wobei der Leutnant der Radfahrer-Abteilung sein Leben einbüßte. Auf dem Rückwege stürmten etwa 40 Russen zu Pferde nach der Grenze über Gorzno zurück. Das Gros der Russen ist auf Umwegen weitergezogen und soll sich in der Forst um Guttowo und Gorzno aufhalten.“

Oberforstmeister Fritz Schuster (1859-1944) schreibt in seinen Buch „Erinnerungen aus meinem Leben“ über den Kriegsbeginn in Gorzno: „Wie sich herausstellte, war auch meine frühere Oberförsterei Ruda und Umgebung von der Tannenbergschlacht in Mitleidenschaft gezogen. Während der Schlacht soll in dem Oberförstereigehöft in Ruda eine Zeit lang ein höherer russischer Stab gelegen haben. Dem Gute Guttowo – 20 Min. von Ruda entfernt – ist dabei sehr übel mitgespielt worden. Plündernde Soldateska haben sicherem Vernehmen nach das Gut nach allen Regeln der Kunst gebrandschatzt und das große Gutshaus mit den umfangreichen Wirtschaftsgebäuden dem Erdboden gleichgemacht. Mir liegt noch aus der Kriegszeit ein Zeitungsartikel eines Lokalberichterstatters aus dem Górznower Käseblättchen vor, der das fürchterliche Hausen der russischen Horden hinreichend illustriert.“

1889 – Familie Esser und die verheizte Heimat (2)

In der Gladbacher Volkszeitung erschien am 21. Mai 1889 ein Bericht über die Goldene Hochzeit von Cornelius und Margarethe Esser, geb. Faber.

„Gladbach, 21. Mai. Zur Feier der goldenen Hochzeit der Eheleute Cornelius Esser und Margarethe geb. Faber hatten gestern die Häuser an der Kaiserstraße, Wallstraße, Kapuzinerstraße, Mittelstraße, Marktstieg sc. Flaggenschmuck angelegt. Am Vorabende wurde dem Jubelpaare seitens des Gesangchors der „Concordia“ ein Ständchen dargebracht. Gestern Morgen fand in der Pfarrkirche ein feierliches Hochamt statt, welchem das Jubelpaar nebst Kindern und Enkeln, Freunden und Nachbarn beiwohnte. Am Altare knieend zur Erneuerung des gegenseitigen Treuegelöbnisses wurde demselben eine Handpostille als Andenken überreicht. Wie die Hinfahrt zur Kirche geschah auch die Rückfahrt in sechs von verschiedenen Herren freundlichst zur Verfügung gestellten zweispännigen Wagen, deren drei von den vielen weißgekleideten Kindern besetzt waren. Am Lokale des Herrn Franz Mocken (Marktstieg) wurde Halt gemacht und in demselben eingekehrt. Es folgte nun die Begrüßung des Jubelpaares durch das Comite, die Kinder, Enkel und Bekannten, Herr Jos. Meer theilte das Schreiben mit, gemäß welchem der König dem Jubelpaare ein Gnadengeschenk von 30 Mark gewährt hat. Mittags fand im Lokale des Herrn Mannheim ein Familien=Festessen statt, das einen guten Verlauf nahm und alle Theilnehmer befriedigte. Hierauf folgte eine Pause bis zum Abend. Um 7 Uhr begann das Bankett im großen Saale des Herrn Mannheim, welches einen sehr zahlreichen Besuch fand und dem das Jubelpaar trotz seiner 76 bezw. 78 Jahre fast bis zum Schlusse beiwohnte. Da der Jubilar seit Bestehen des Vereins „Concordia“ dessen fleißiges Mitglied gewesen ist, so wollte auch der Vorstand dieses Vereins, an der Spitze Herr Kaplan Hillmann, bei dem Feste nicht fehlen; letzterer nahm das Wort, um einige auf das Fest passende Gedanken in hübscher Rede zum Ausdruck zu bringen und mit einem Hoch auf das Jubelpaar, welchem er auch noch das diamantene Jubelfest wünschte, zu schließen. Der Gesangchor des Ver-eins erschien mit Fahne und Transparent im Saale und trug durch den Gesang mehrerer Chorlieder unter Leitung des Herrn Bolten sehr zur Hebung der Feier bei. Ein Jugendfreund des Jubilars erzählte aus der „guten alten Zeit“, auch nahm Herr Kaplan Hillmann noch einmal Gelegenheit, in seiner Eigenschaft als Präses des Arbeitervereins auf das schöne nachbarliche Verhältniß hinzuweisen, welchem dieses Fest zu verdanken sei: alle Stände seien an demselben betheiligt, obschon der Jubilar ein einfacher schlichter Handwerker sei, ein solches Fest sei daher in sozialer Hinsicht vom größten Werthe. Sein Hoch galt dem Festcomite. Die Polonaise machte das Jubelpaar rüstig voranschreitend bis zum Schlusse mit, darauf folgten weitere Tänze für die übrigen Festtheilnehmer. Die Musikkapelle des Herrn Wirth gab mehrere Konzertstücke zum Besten; Herr P. Schmitter erfreute die Festtheilnehmer durch ein Gesangsolo, so daß nach jeder Richtung für Unterhaltung und Stoff zu heiterer Stimmung gesorgt wurde. Die Jubeleheleute werden des Festtages gewiß stets freudvoll gedenken; möge ihr Lebensabend sich sorglos und angenehm gestalten, wie es einem in Ehren ergrauten Ehepaare gebührt. Wie wir hören, hat das Comite dafür Sorge getragen, daß dem bejahrten Pärchen als klingendes Andenken an seinen Ehrentag ein namhafter Geldbetrag überreicht werden kann.“

Mit einer Anzeige in der Gladbacher Volkszeitung am 25. Mai 1889 bedankten sich Cornelius Esser und Frau bei „allen Denen, welche zur Verherrlichung unserer goldenen Hochzeit beigetragen, besonders den Herren vom Fest-Komitee, Nachbaren und Freunden, sowie auch dem Gesangschore der Concordia.“