1916 – Das Unglück von Wompiersk

Am 25. Oktober 1916 erschien Anton Jendrian auf dem Standesamt in Wompiersk und zeigte den Tod des Kätners Joseph Rosinski, Wehrmann im 1. Kompanie Landsturm-ErsatzBataillon XVII.20 (XVII. Armee-Korps in Danzig) an. Laut Sterbeurkunde war Johann Rosinski 43 Jahre alt und verheiratet mit Anna Karbowska. Er starb, nach Angabe auf der Sterbeurkunde, in der Wohnung des Anzeigenden am 24. Oktober 1916 vormittags um 11.30 Uhr.

Den Tod von Anna Rosinska, geborene Karbowska, 38 Jahre alt, zeigte Anton Jendrian ebenfalls an. Anna Rosinska starb nach Angabe auf der Sterbeurkunde in der Wohnung des Anzeigenden am 24. Oktober 1916 vormittags um 11.30 Uhr.

Am 24. Oktober 1916 um 11.30 Uhr verstarb in der Wohnung des Anton Jendrian auch Waclaw Rosinski, zwölf Jahre alt und Sohn von Joseph und Anna Rosinski.

Anton Jendrian zeigte ebenfalls den Tod von Joseph Simetkowski, 19 Jahre alt und ledig, an. Die Eltern von Joseph waren der verstorbene Kätner Johann sowie Angelika (geb. Rosinska) Simetkowski. Auch Joseph Simetkowski verstarb am 24. Oktober 1916 um 11.30 Uhr in der Wohnung des Anton Jendrian.

Angaben zu den Todesursachen werden auf den vier Sterbeurkunden nicht gemacht.

Was geschah am 24. Oktober 1916 in der Wohnung des Kätners Anton Jendrian?

Anton Jendrian war der ältere Bruder meines Urgroßvaters. Ein Kätner war ein abhängiger Kleinbauer oder Tagelöhner, der in einer Kate wohnt. Wompiersk (Wapiersk) ist ein kleines Dorf in Kreis Strasburg (Brodnica) in der ehemaligen Provinz Westpreußen. Anton Jendrian war mit Katharina Rosinska verheiratet. Katharina verstarb am 17. September 1916, 37 Tage vor dem Unglückstag. Katharina war die Schwester des am 24. Oktober 1916 verstorbenen Joseph Rosinski und von Angelika Simetkowska, geb. Rosinska, der Mutter des verstorbenen Joseph Simetkowski.

Am 24. April 1917 heiratete Anton Jendrian dann die Witwe Angelika Simetkowska, geb. Rosinska. Anton Jendrian hatte ein enges Verhältnis zur Familie Rosinski aus Wompiersk.

Ein kriegerisches Ereignis in Wompiersk war für den 24. Oktober 1916 auszuschließen, der Frontverlauf war 1916 weit östlicher. Eine Antwort zum Unglück von Wompiersk fand ich zufällig in „Die Presse“, der ostmärkischen Tageszeitung aus Thorn (Torun). Die Presse berichtete am 1. November 1916 über ein tragisches Unglück in Wompiersk.

„Wompiersk, Kreis Strasburg, 28. Oktober. (Fünf Personen ertrunken.) Ein bedauernswertes Unglück hat sich hier ereignet. Besitzer Roszinski aus Wompiersk, der aus dem Felde auf Urlaub gekommen war, hatte seinen Torf wegen des schlechten Weges auf dem kürzeren Wege nach Hause schaffen wollen. Er lud den Torf auf einen Kahn und fuhr mit diesem über einen 100 Meter breiten Teich. Bei der letzten Fuhre setzten sich noch dessen Ehefrau, der Sohn, Knecht und Magd auf den Kahn, welcher in der Mitte des Teiches so schnell sank, daß alle fünf Insassen, da keine Hilfe zur Stelle war, ertranken.“

Nachricht über das Unglück in der Thorner Presse

Am 31. Oktober 1916 schrieb die Berliner sozialdemokratische Parteizeitung „Vorwärts“: Fünf Personen bei einer Kahnfahrt ertrunken. Aus Posen wird gemeldet: Als der aus dem Felde beurlaubte Besitzer Roszinski aus Wompiersk im Kreise Straßburg (Westpreußen) auf einem mit Torf beladenen Kahn über den 100 Meter breiten Teich nach Hause fahren wollte, sank der Kahn in der Mitte des Teiches und mit ihm fünf Personen: Roszinski, seine Ehefrau, sein Sohn, der Knecht und die Magd. Die Leichen sind noch nicht gefunden worden.“

Nachricht über das Unglück im Vorwärts

Die Meldung über das Unglück finden sich u.a. in den Lokalblättern „Der Gemeinnützige“ aus Iserlohn, der Lüner Zeitung, Das Volk aus Siegen, der Remscheider Zeitung, der Geldernsche Zeitung, der Dorstener Volkszeitung und Wochenblatt, dem Erft-Boten aus Bedburg. Am 3. November 1916 erschien die Nachricht in der Sächsische Dorfzeitung und Elbgaupresse, mit Loschwitzer Anzeiger, Tageszeitung für das östliche Dresden und seine Vororte sowie einen Tag später im General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen.  

„Fünf Menschen ertrunken. Ein schweres Unglück hat sich in Strasburg (Westpreußen) ereignet. Der in Wompiersk wohnende Besitzer Roszinski wollte seinen Torf des schlechten Landweges wegen auf einem Kahn über einen etwa 200 Meter breiten Teich nach Hause schaffen. Bei der letzten Fuhre setzten sich noch seine Frau, sein Sohn, ein Knecht und eine Magd auf den Kahn. In der Mitte des Teiches schlug das Fahrzeug plötzlich um und alle fünf Personen ertranken.“

Nachricht über das Unglück im General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen

Wie könnte ein mit Torf beladener Kahn ausgesehen haben?

Torfkahn in den Niederlanden, Quelle Wikipedia, Baykedevries
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Turf_praam.jpg), „Turf praam“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Der Jellen-See bei Wompiersk/Wapiersk

Der Unglückort von 1916 könnte sich möglicherweise am Jellen-See bei Wompiersk/Wapiersk befinden.  Zumindest ist die Frage geklärt, was am 24. Oktober vormittags um 11.30 Uhr in Wompiersk, Kreis Strasburg, Westpreußen, geschah. Über die ertrunkene und unbekannte Magd des Besitzers Rosinski finden sich keine Hinweise.

Jan Staszynski und sein Mörder (1)

Am 15. Juni 2020 stellte ich bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach eine Strafanzeige gegen Gottlieb Schmidt, Tatvorwurf Mord. Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahren wegen der Tötung des Johann (Jan) Staszynski im ehemaligen Konzentrationslager Stutthof wurde abgesehen, da der angezeigte Gottlieb Schmidt bereits 1959 verstorben war. Von der Anzeige hatte ich mir Informationen über das Leben des Jan Staszynski erhofft. Auch hätte ich gerne etwas mehr über Gottlieb Schmidt erfahren. 

Schmidt, war 1943 in Stutthoff auch am Tod des Cousins von Jan Staszynski, Franz Krajnik beteiligt. Einen Mörder mit dem Allerweltsnamen Schmidt zu suchen ist schwierig.

Jan Staszynski ist 1913 in Horst, heute ein Stadtteil von Gelsenkirchen, geboren und aufgewachsen. Auf der Cranger Straße in Gelsenkirchen-Erle gibt es die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“. Es hätte mich sehr überrascht, wenn das Schicksal des NS-Opfer Jan Staszynski dort bekannt wäre!  Die Horster Juden trafen sich in einem angemieteten Betsaal in der Franzstr. 3, der heutigen Industriestr. 100 (Ecke Markenstraße). Familie Staszynski wohnte gegenüber des Betsaales in der Franzstraße 2. 

Auf Spurensuche fand ich in der nordfranzösischen Stadt Douai das Grab von Vater Francois (Franz bzw. Franciszek) Staszynski und der Schwester von Jan, Janina. Das macht die Geschichte des Jan Staszynski noch komplizierter.

Joseph Sikorski – Fischhändler in Jeleń

Auf einer alten Landkarte fand ich eine Fischerhütte am Jeleń-See, dort wird vermutlich die Familie Sikorski gewohnt haben.

Joseph Sikorski war Fischer und Fischhändler in Jeleń. Verheiratet war Joseph Sikorski mit Antonie Jendrian. Ein Teil der Familie Sikorski lebt heute in Nordfrankreich.

Heute erinnert am Jeleń-See nichts mehr an einem „professionellen“ Fischfang!

Aus dem Kirchenbuch

Am 2.11.1802 wird Martin Jendrian in Klein Koschlau (Koszelewki) geboren – der Beruf des Vaters, Musketier. Am 25.7.1805 bei der Geburt der Tochter Anna, war Jacob Jendrian immer noch Musketier.  

Nach seiner Karriere als Musketier war mein Ur-Ur-Ur-Großvater als Inßmann (Instmann) in Klein Koschlau (Koszelewki) tätig.  Größere Bauerhöfe und Güter hatten Instleute als Gutstagelöhnern beschäftigt. Eingebunden in die Arbeit war dabei die ganze Familie. Diese wohnten in einem separaten Insthaus neben dem Gutshof. Die Instleute hatten eine freie Wohnung, bekamen ihr Deputat und ein Taschengeld. Dafür mußten sie ganzjährig auf dem Hof arbeiten. Zu den meisten Insthäusern gehörten noch ein Stall und ein großer Garten, so daß das Einkommen der Instleute aufgebessert werden konnte. Wenn die Gutsbesitzer Wohnungen an Instleute vermietet hatten, dann mußten die Männer und Frauen, oft auch die großen Kinder, im Sommer auf dem Hof arbeiten.

Am 3.8.1781 wurde in Klein Koschlau (Koszelewki) Dorothea Maria Nadolski geboren. Die Eltern waren Joseph Nadolski und Anna Wonzemski. Verheiratet war Dorothea Nadolski mit Jacob Jendrian.

Am 6.4.1826 stirbt Dorothea Jendrian in Klein Koschlau (Koszelewki). Der Sterbeeintrag findet sich im Kirchenbuch der evangelischen Kirche zu Groß Koschlau (Koszelewy) und im Kirchenbuch der katholischen Kirche zu Lautenburg (Lidzbark). 

Unterschiedlich ist das Alter. Ich komme rechnerisch auf 44 Jahre, die Protestanten auf 43 Jahre und die Katholiken auf 42 Jahre. Ansonsten stimmen die Angaben überein und das ist ziemlich ungewöhnlich. 

Klein Koschlau in Ostpreußen

Im Kirchenbuch der ehemaligen evangelischen Kirche von Groß Koschlau (Koszelewy) im damaligen Kreis Neidenburg (Ostpreußen) wird der Name Jendrian im Zeitraum von 1802 bis 1832 mehrfach erwähnt. Die Geburten und Todesfälle sind im Kirchenbuch von Groß Koschlau (Koszelewy) für den Zeitraum von 1764 bis 1937 aufgeführt.

Es stellen sich zwei Fragen. War die Familie Jendrian evangelisch? Und wo lebte die Familie Jendrian vor 1802?

Ab 1832 lebte die Familie Jendrian dann in Jellen (Jeleń), Westpreußen. Die Grenze zwischen den historischen Regionen Ost- und Westpreußen bzw. zwischen Klein Koschlau (Koszelewki) und Jellen (Jeleń) ist der Fluß Welle (Wel).

Geboren wurden in Klein Koschlau (Koszelewki)
1802 – Martin Jendrian
1805 – Anna Jendrian
1808 – Michael Jendrian
1811 – Albrecht Jendrian
1815 – Jacob Jendrian
1817 – Justine Jendrian
1818 – Caroline Jendrian
1820 – Maria Jendrian
1820 – Caroline Jendrian
1823 – Joseph Jendrian
1826 – Johann Jendrian
1828 – Gottfried Jendrian
1830 – Albrecht Jendrian
1830 – Jakob Jendrian – mein Ur-Ur-Großvater

Gestorben sind in Klein Koschlau (Koszelewki)
1816 – Jacob Jendrian
1818 – Gustav Jendrian
1819 – Carolina Jendrian
1821 – Maria Jendrian
1826 – Dorothea Jendrian
1830 – Johann Jendrian
1832 – Jacob Jendrian – mein Ur-Ur-Ur-Großvater

Alte Holzhäuser in Jeleń

In Jeleń gibt es etwa ein dutzend Häuser die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer Holzbauweise errichtet wurden. Rund um Jeleń, gibt es große Wälder und so war der Baustoff Holz schnell verfügbar. Es wurden meist sehr einfache Häuser, sogenannte Kathen, ohne große Verzierungen gebaut. Die Kathen hatten früher winzige Fenster, sie waren im Inneren auch ziemlich dunkel. Einen Fußboden aus Holz gab es in den Kathen nicht, dafür wurde der festgestampfte Boden mit Strohmatten ausgelegt. In der Raummitte befand sich die Kochstelle. Das Dach war mit Stroh gedeckt.

Die Bewohner der Kathen sind Käthner (Mieter, Pächter) oder Eigenkäthner (Eigentümer). Die Familie Jendrian besaß in Jeleń keine eigene Kathe, sie waren Pächter einer Kathe.

Zur Kathe gehörte in der Regel kein Scheunen- oder Stallgebäude. Kathen sind meist einstöckig, der Giebelraum wurde als Stroh- und Nahrungsmittellager genutzt. Die Kathe besaß ein wenig Gartenland, das der Eigenversorgung diente. Da der Ertrag des Gartens häufig nicht für den Lebensunterhalt ausreichte, verrichteten die Käthner zusätzliche handwerkliche Arbeiten oder arbeiteten als Tagelöhner auf den Gutshöfen.

Ein Käthner (Mieter, Pächter) musste als Gegenleistung für die Überlassung einer Kathe und eines Grundstücks für die eigene Bewirtschaftung an den Grundherrn nicht nur Zinsen in bar sowie Naturalien (z.B. Hühner, Getreide) leisten, sondern auch „Hand- und Spanndienste“ leisten, d.h. bei der Ernte helfen.

Die St. Adalbert Kirche in Lidzbark

Die St. Adalbert Kirche (Kościół św. Wojciecha) von 1752 ist die älteste noch erhaltene Kirche in Lidzbark. Die erste Kirche wurde hier bereits Anfang des 14. Jahrhunderts, nach der Gründung der Stadt und der Pfarrei im Jahr 1301 errichtet.

Seit 1606 übte das Gotteshaus die Funktion einer Pfarrkirche aus. Die Kirche wurde während des schwedischen Überfalls auf Polen 1629 stark zerstört. Im Jahr 1746 brannte die Kirche zusammen mit dem Großteil der Stadt ab. Auf den Fundamenten wurde im Jahr 1752 die heutige gemauerte Kirche errichtet. Der Innenraum der Kirche erhielt sein heutiges Aussehen nach einer Grundrenovierung in den Jahren 1879-80. Die nächste große Renovierung wurde in den Jahren 1995-99 durchgeführt. Seit 2004 befinden sich in der Kirche die Reliquien des Heiligen Adalbert.

Das einschiffige Gebäude wurde auf dem Grundriss eines Rechtecks aus Ziegeln erbaut und verputzt. Der Baukörper wurde mit bogenförmigen Fenstern ausgestattet und mit einem Satteldach bedeckt. Am westlichen Giebel wurde ein quadratischer, dreigeschossiger Turm angebaut, der mit einem bauchigen, mit Blech bedeckten Helm mit einer Laterne bekrönt ist.

Im Inneren der Kirche, unter dem Tonnengewölbe, dominiert der Barockstil. Der barocke Hauptaltar wird u. a. mit den Skulpturen der Heiligen Adalbert, Paulus und Peter verziert.

Eine Seite aus dem Jahrbuch 1775 des Kirchenbuches der Pfarre

1789 heirateten meine Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern Antonius Karpinski und Marianna Szymanska in Lidzbark

Franz, Franciszek oder Francois

Am 17.9.1925 stirbt der Bergmann Bronislaw Jendryan im Alter von 27 Jahren in Waziers (Nordfrankreich). Geboren ist Bronislaw Jendryan laut Sterbeintrag in Jellen (Pologne). Die Eltern sind Adam Jendrian und Anna Grabowska.

Angezeigt wird der Tod von seinem Bruder Franz Peter Jendrian. Einige Jahre nach dem 1.Weltkrieg kann der französische Standesbeamte schlecht Franz schreiben, vielleicht schreibt er deshalb im Sterbeeintrag das Francois Jendryan den Tod anzeigt.

Den Eintrag unterschreibt Francois Jendryan dann mit Franciszek. Als Deutsche hätten Franziszek und Bronislaw so kurze Zeit nach dem Krieg sicher keine Arbeit in Frankreich gefunden. Viele polnische Bergleute, oft aus dem Ruhrgebiet, kamen zu dieser Zeit als Arbeiter in die Kohlegruben Frankreichs. Familie Jendrian zog es in den kalten Norden nach Waziers und Familie Sikorski in den sonnigen Süden nach Molières-sur-Cèze (Region Okzitanien).

In der Verlustliste zum 1. Weltkrieg wird 1918 gemeldet, das der Gefreite Franz Jendrian leicht verwundet wurde, aber bei der Truppe geblieben ist. Leider läßt sich nicht nachvollziehen, an welcher Front Franz Jendrian gekämpft hat.

Geboren wurde Franz Peter Jendrian am 4.8.1892 in Jeleń.