Der Herr und sein Knecht

Koszelewki (Klein Koschlau) ist ein kleines Dorf, einen halben Kilometer von der Straße entfernt, die Lidzbark Welski (Lautenburg) mit Koszelewy (Groß Koschlau) verbindet. Im Jahr 1328 wurde das Dorf Koszel gegründet. Vom Komtur der Stadt Dzierzgoń (Christburg) erhielten die beiden Ritter Więcesław und sein Bruder Dobiesław 120 Włókas Land. Eine Włóka chełmińska (Kulmer Hufe) entsprach 17,838 Hektar. Auf einem Teil dieser Ländereien wurden eine neue Siedlung und ein Bauernhof gegründet. Im 14. Jahrhundert kam es vermutlich auch zu einer Teilung des Besitzes durch die beiden Brüder in Koszelewy und Koszelewki. 1578 unterstand das Dorf Koszelewki der evangelisch-augsburgischen Pfarrei in Koszelewy und seine Fläche betrug 30 Włókas (ungefähr 540 Hektar).

Zum Rittergut Klein Koschlau (Koszelewy), Kreis Neidenburg, Provinz Ostpreußen gehörten als Vorwerke das kleinere Rittergut Wassiol (Wasioly), Kreis Löbau, Provinz Westpreußen, der Wiesenhof Zombek, die Seen Tarczyny, Grady und Zakrocz sowie unbebaute Grundstücke in Tarczyny und Wery. Auf dem Rittergut gab es eine Dampfbrennerei, eine Ziegelei und ein Kalkwerk. Der Landbesitz des Rittergutes betrug 1883 ca. 6.000 Morgen (1.500 Hektar) und es gab einen Viehbestand von ca. 170 Stück, der sich bei Stallfütterung auf 400 Stück vermehren ließ. 1820 hatte das Rittergut Klein Koschlau 94 und 1905 130 Einwohner. Das Rittergut Wassiol hatte 1820 20 und 1905 10 Einwohner. Bei der Volkszählung von 1905 gab es im Vorwerk Zombek vier Einwohner. Das Soldauer Land mit dem Dorf Koschlau wurde entsprechend dem Versailler Friedensvertrag am 10. Januar 1920 an Polen abgetreten.

Im „Adelslexikon der preußischen Monarchie“ von Leopold Freiherr von Ledebur, 1855 in Berlin erschienen, wird Hermann von Engelbrechten aus Wismar, königl. Schwedischer Generallieutenant 1779 als Besitzer des Rittergutes Klein Koschlau genannt.

Von Engelbrechten, der in schwedischen und preußischen Diensten gestanden hatte, starb in einer diplomatischen Mission am 5. April 1818 in Kristianstad/Schweden. Beim Übergang von Schwedisch-Pommern an Preußen wurde von Engelbrechten 1815 mit dem Dienstgrad Generalleutnant in der Preußischen Armee angestellt und führte das 33. Infanterieregiments der Preußischen Armee. 1817 ernannte der König von Engelbrechten zum Gouverneur von Stralsund und übertrug ihm 1818 zusätzlich die Landwehrinspektion in Stralsund.

1802 und 1805 findet sich im Kirchenbuch in Klein Koschlau der Mousquetier Jakob Jendrian. In späteren Einträgen wird aus dem Musketier ein Instmann. Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm beschreibt einen Instmann als einen Einlieger, „der in eines andern hause wohnt und keine güter im dorfe hat.“ Der Soziologe Max Weber (1864 – 1920) beschreibt den Instmann als Arbeiter, Kleinunternehmer und Knechte in einer Person. Die Insten entstanden um 1800 durch die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Landreformen.

1852 wurde der Dresdener Baron Oskar Mortimer Rochus von Rochow aus dem Hause Golzow Besitzer des Rittergutes Klein Koschlau. Das 1880 in Brünn erschienene „Genealogische Taschenbuch der Ritter- und Adelsgeschlechter“ schreibt zur Familie von Rochow: Lutherisch. – Preußen (Provinz Brandenburg und Preußen) und Königreich Sachsen. – Uradel. – Besitz: a) in der Mark Brandenburg: Golzow, Jeserig, Kammerode, Klaistow, Krahne, Plessow, Reckahn, Rotscherlinde, Trechwitz und Zolchow im Kreis Zauch-Belzig, Holbeck, Schmieltendorf u. Stülpe im Kreis Jüterbog-Luckenwalde, Birkenhorst, Brösigterlake, Gortz, Ketzür, Linde und Riewend im Kreis West-Havelland, b) in Ost-Preußen: Klein-Koschlau im Kreis Neidenburg, c) im Königreich Sachsen: Strauch bei Großenhain und Märzdorf.

Baron Oscar Mortimer Rochus von Rochow, a.d. Hause Golzow, geb. den 26. April 1816, heiratete am 25. Mai 1852, Gräfin Clara Elise Henriette von NostitzRieneck, geb. 3.9.1829.

1852 mußte sich der Dienstjunge Jakob Jendrian aus Zombeck (Vorwerk von Klein Koschlau) als Kantonist zur Gestellung bei der Departements-Ersatz-Kommission in Neidenburg einfinden. Die Einberufung erfolgte meistens im Alter von 18 – 20 Jahren und die Wehrpflicht dauerte drei Jahre. Da 1851 schon einmal eine Einberufung erfolgte, könnte Jakob Jendrian ein unsicherer Kantonist gewesen sein. Meyers Konversationslexikon von 1889 definiert unsichere Kantonisten als: „Junge Leute, welche sich der Gestellung entziehen, ohne sich der Fahnenflucht schuldig zu machen; verlieren das Losungsrecht und können außerterminlich eingestellt werden, wobei ihre Dienstzeit vom nächsten Einstellungstermin an rechnet.“

Während mein Urgroßvater Michael Jendrian als Kind die Kühe auf den Klein Koschlauer Wiesen beim Wiesenhof Zombeck hütete, machte der Schaumschläger von Rochow in Dresden als ostelbischer Junker einen auf dicke Hose. Der Pleitier von Rochow hatte seinen Besitz der Sächsischen Hypotheken-Versicherungs-Gesellschaft zu Dresden verpfändet, als er 1862 einen Verleumdungsprozeß gegen den Wirthschaftsrath Kind anstrengte. Den Dresdener Nachrichten vom 13. April 1862 ist zu entnehmen: „Die letzte, nach 1 Uhr zur Verhandlung kommende Einspruchssache hat wiederum Verleumdung zum Gegenstände, wegen welcher der Privatangeklagte, Rittergutsbesitzer Oskar Mortimer v Rochow, durch früheres Erkenntniß zu 20 Thlr. Geldstrafe und in die Kosten verurtheilt ist, Baron v. Rochow ließ durch den Wirthschaftsrath Kind sein in Westpreußen belegenes Gut Klein-Koschlau verwalten, und hatte gegen diesen in Bezug auf den dort angestellten Administrator Seliger eine scharfe Kritik über schlechte Wirthschaftsführung losgelassen, namentlich daß Seliger die möblirten Zimmer seinen Schwiegereltern wohnlich eingeräumt, daß er auf den Feldern nicht inspicire, sondern mit seiner Frau spazieren fahre, daß er der Stellung unfähig, daß Seligers Frau sich jüngst zwei seidene und andere Kleider, ebenso für 50 Thlr. Leinwand gekauft, die dann verschiedene Nähmamsells verarbeitet hätten, welche Unregelmäßigkeiten in der Bewirthschaftung abzustellen sich Kind nicht veranlaßt gesehen habe. Gegen obiges Erkenntniß hat Herr von Rochow Einspruch erhoben Herr Adv. Fränzel hebt das lebhafte Interesse hervor, welches Herr v. Rochow an der Bewirthschaftung seines Eigenthums haben mußte und in den Beschwerden des Beklagten kommt Kind nur einmal vor, und dies hat das erste Erkenntniß als Verleumdung bezeichnet. Namentlich bezeichnet die Vertheidigung mit lebhaften Worten die Gründe, aus welchen v. Rochow ein volles Recht auf Freisprechung habe und zieht besonders den Art. 238 des Strafgesetzbuchs an. Ja die Wirtschaft soll so schlecht gewesen sein, daß v. Rochow bei Wiederübernahme des Gutes sofort 300 Thlr. hingegeben habe, damit sein lebendes Inventar nicht den Hungertod sterbe. Ueberhaupt glänzt die Vertheidigung durch schlagende Beweise, die mitunter das Interesse des Publikums sehr in Anspruch nahmen. Die beantragte Freisprechung erfolgte gegen 3 Uhr Nachmittags. Schießlich hatte der Vorsitzende noch einen der Zuhörer darauf aufmerksam zu machen, daß er im Gerichtssaale den Hut nicht auf dem Kopfe haben dürfe.“

Der im Artikel der Dresdener Nachrichten vom 13. April 1862 genannte Gutsadministrator Seliger war legitimierter Bevollmächtigter des sich im Pfandbesitz befindlichen Rittergutes Klein Koschlau. Im Königsberger Amtsblatt findet sich ein Statut für die „Meliorations-Societät des Welle-Thals,“ vom 29. Juli 1861, dort wird Franz Seliger als Vertreter der Gläubiger genannt. Herr Oscar von Rochow, Besitzer der Klein Koschlauer Güter, war bei der Vollziehung des Statuts zugegen und genehmigte dasselbe in allen seinen Punkten durch Unterschrift.

Die wirtschaftliche Situation des Junkers von Rochow wurde nicht besser. In der Norddeutschen allgemeine Zeitung vom 20.6.1880 und 27.6.1880 wird in Anzeigen auf die Subhastation (Zwangsversteigerung) des Rittergutes Klein Koschlau am 10. Juli 1880 hingewiesen.

In der Kölnischen Zeitung vom 27.10.1883 findet sich ein Verkaufsinserat. Das Rittergut Klein-Koschlau, nebst Zubehör, bei Station Koschlau in Ostpreußen, Kreis Neidenburg, welches 1200 Morg. Rieselwiesen, 500 Morg. Niederungsboden, überhaupt ein Areal von über 6000 Morg. enthält, mit prachtvoller Ernte, vorzüglichem Viehbestand, ca. 170 Stück (bei Stallfütterung bis 400 Stck zu vermehren), massivem Wirtschaftgebäud., groß. Dampfbrennerei, Ziegelei, Kalkbrenn., Wohnhaus mit Park, Jagd, groß. Fischerei, soll aus freier Hand sehr vorteilh. f. 450.000 M. bei 50.000 M. Anz. bis 13. Nov. od. an dies. Tage in Kl.-Koschlau in d. Amtswohn. meistbiet. verk. werden. Anfr. z. freien Verkauf beantw. Herr Gustav Richter, Berlin 6, Königstr. 34. Gezeigt wird es v. Adm. Hildebrandt, Kl.-Koschlau 5“

Beim Verkaufstermin am 13. November 1883 in der Amtswohnung in Klein Koschlau handelt es sich um die erste Zwangsvollstreckung des Rittergutes durch das Amtsgericht Soldau. In der Norddeutschen allgemeinen Zeitung vom 20.9.1883, 3.10.1883 und 19.10.1883 erscheint eine Amtliche Bekanntmachung, das Subhastation-Patent des Amtsgerichtes in Soldau. Da sich kein Käufer für das Rittergut fand, wurde für den 9. April 1884 ein neuer Termin für eine Zwangsversteigerung festgelegt.