Warum fragen wir nicht, was Opa getan hat ??? (1)

Ein beliebtes Thema im Mainstream ist die Frage, was hat Opa im Krieg gemacht? Die Frage interessiert mich auch! 

Mein Opa, Georg Calmund, war von 1939 bis 1945 als Soldat in Europa unterwegs. Wenn man genauer bei Behörden und Archiven nachfrägt, wie zuletzt bei Herrn Dr. Klefisch, Abteilungsleiter im Landesarchiv NRW, erhält man als Antwort, ein Georg Calmund ist in unseren Findmittel nicht aufzufinden.

War mein Opa vielleicht ein böser Nazi oder hat das Landesarchiv NRW die Gerichtsakte des Sondergerichtes Düsseldorf von Georg Calmund aus dem Jahr 1941 wegen „Bedeutungslosigkeit“ ganz einfach entsorgt? Eine Antwort auf diese Frage habe ich von Herrn Dr. Klefisch nicht erhalten. 

Auskunft der Leiters der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, der Bastian Fleermann: „sämtliche Unterlagen des SG (Sondergericht) Düsseldorf werden im Duisburger Landesarchiv aufbewahrt.“ Die gleiche Auskunft erhielt ich vom Amtsgericht und vom Stadtarchiv in Düsseldorf.

Im Dezember 1934 erließ die Reichsregierung das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei“. Dieses so genannte Heimtückegesetz stellte „gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen“ unter Strafe.

Verurteilung, Haftstraße und anschließende Entlassung bei der Firma Rheinmetall sind dem Wehrstammbuch meines Großvaters zu entnehmen.

Aus dem Buch „Heimtücke:“ Das Gesetz als Waffe von Bernhard Döner, Paderborn 1998: Denunzianten und Gestapobeamte, die Vernehmungen vorgenommen und die Strafverfolgung eingeleitet hatten, wurden in den ersten Nachkriegsjahren oftmals zur Rechenschaft gezogen. Die Mehrzahl der Richter und Staatsanwälte blieben straffrei. Den Opfern des Heimtückegesetzes blieb eine Haftentschädigung meist verwehrt, weil sie nicht nachweisen konnten, dass ihre Äußerung eine „wirklich fundierte eindeutige politische Haltung“ und Überzeugung offenbare.“

Warum fragen wir nicht, was Opa getan hat ???

Jan Staszynski und sein Mörder (1)

Am 15. Juni 2020 stellte ich bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach eine Strafanzeige gegen Gottlieb Schmidt, Tatvorwurf Mord. Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahren wegen der Tötung des Johann (Jan) Staszynski im ehemaligen Konzentrationslager Stutthof wurde abgesehen, da der angezeigte Gottlieb Schmidt bereits 1959 verstorben war. Von der Anzeige hatte ich mir Informationen über das Leben des Jan Staszynski erhofft. Auch hätte ich gerne etwas mehr über Gottlieb Schmidt erfahren. 

Schmidt, war 1943 in Stutthoff auch am Tod des Cousins von Jan Staszynski, Franz Krajnik beteiligt. Einen Mörder mit dem Allerweltsnamen Schmidt zu suchen ist schwierig.

Jan Staszynski ist 1913 in Horst, heute ein Stadtteil von Gelsenkirchen, geboren und aufgewachsen. Auf der Cranger Straße in Gelsenkirchen-Erle gibt es die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“. Es hätte mich sehr überrascht, wenn das Schicksal des NS-Opfer Jan Staszynski dort bekannt wäre!  Die Horster Juden trafen sich in einem angemieteten Betsaal in der Franzstr. 3, der heutigen Industriestr. 100 (Ecke Markenstraße). Familie Staszynski wohnte gegenüber des Betsaales in der Franzstraße 2. 

Auf Spurensuche fand ich in der nordfranzösischen Stadt Douai das Grab von Vater Francois (Franz bzw. Franciszek) Staszynski und der Schwester von Jan, Janina. Das macht die Geschichte des Jan Staszynski noch komplizierter.

1914 – Russische Horden auf dem Marktplatz von Gorzno

Aus der Thorner Presse vom 2. September 1914:
Wie die Russen um Gorzno Krieg führten, darüber berichtet die „Strasburger Zeitung“: Es stürmten plötzlich etwa 40 russische Reiter im vollsten Galopp in das Städtchen Gorzno bis auf den Marktplatz. Dort machten sie Halt. Alle Telegraphenstangen wurden umgehauen. Dann plünderten sie das Warenhaus D. Kasper; die Waren schafften sie auf Gorznoer Fuhrwerken über die Grenze. Post und Zollamt sind aufgelöst. Nachdem all dies geschehen war, kam das Gros der Russen, annähernd 4000 Mann russische Kavallerie, angesprengt mit Feldküche und einigen Kanonen, sowie sämtlicher Bagage. Sie schlugen den Weg nach Radosk ein, bogen dann in den Weg nach der Oberförsterei Ruda ein, wo ebenfalls die Telegraphenstangen an der Chaussee abgehauen wurden, und begaben sich nach Guttowo Gut. Dort loderten bald Feuersäulen auf. Unsere Radfahrerkompagnie begegnete dem Feinde, wobei der Leutnant der Radfahrer-Abteilung sein Leben einbüßte. Auf dem Rückwege stürmten etwa 40 Russen zu Pferde nach der Grenze über Gorzno zurück. Das Gros der Russen ist auf Umwegen weitergezogen und soll sich in der Forst um Guttowo und Gorzno aufhalten.“

Oberforstmeister Fritz Schuster (1859-1944) schreibt in seinen Buch „Erinnerungen aus meinem Leben“ über den Kriegsbeginn in Gorzno: „Wie sich herausstellte, war auch meine frühere Oberförsterei Ruda und Umgebung von der Tannenbergschlacht in Mitleidenschaft gezogen. Während der Schlacht soll in dem Oberförstereigehöft in Ruda eine Zeit lang ein höherer russischer Stab gelegen haben. Dem Gute Guttowo – 20 Min. von Ruda entfernt – ist dabei sehr übel mitgespielt worden. Plündernde Soldateska haben sicherem Vernehmen nach das Gut nach allen Regeln der Kunst gebrandschatzt und das große Gutshaus mit den umfangreichen Wirtschaftsgebäuden dem Erdboden gleichgemacht. Mir liegt noch aus der Kriegszeit ein Zeitungsartikel eines Lokalberichterstatters aus dem Górznower Käseblättchen vor, der das fürchterliche Hausen der russischen Horden hinreichend illustriert.“

1889 – Familie Esser und die verheizte Heimat (2)

In der Gladbacher Volkszeitung erschien am 21. Mai 1889 ein Bericht über die Goldene Hochzeit von Cornelius und Margarethe Esser, geb. Faber.

„Gladbach, 21. Mai. Zur Feier der goldenen Hochzeit der Eheleute Cornelius Esser und Margarethe geb. Faber hatten gestern die Häuser an der Kaiserstraße, Wallstraße, Kapuzinerstraße, Mittelstraße, Marktstieg sc. Flaggenschmuck angelegt. Am Vorabende wurde dem Jubelpaare seitens des Gesangchors der „Concordia“ ein Ständchen dargebracht. Gestern Morgen fand in der Pfarrkirche ein feierliches Hochamt statt, welchem das Jubelpaar nebst Kindern und Enkeln, Freunden und Nachbarn beiwohnte. Am Altare knieend zur Erneuerung des gegenseitigen Treuegelöbnisses wurde demselben eine Handpostille als Andenken überreicht. Wie die Hinfahrt zur Kirche geschah auch die Rückfahrt in sechs von verschiedenen Herren freundlichst zur Verfügung gestellten zweispännigen Wagen, deren drei von den vielen weißgekleideten Kindern besetzt waren. Am Lokale des Herrn Franz Mocken (Marktstieg) wurde Halt gemacht und in demselben eingekehrt. Es folgte nun die Begrüßung des Jubelpaares durch das Comite, die Kinder, Enkel und Bekannten, Herr Jos. Meer theilte das Schreiben mit, gemäß welchem der König dem Jubelpaare ein Gnadengeschenk von 30 Mark gewährt hat. Mittags fand im Lokale des Herrn Mannheim ein Familien=Festessen statt, das einen guten Verlauf nahm und alle Theilnehmer befriedigte. Hierauf folgte eine Pause bis zum Abend. Um 7 Uhr begann das Bankett im großen Saale des Herrn Mannheim, welches einen sehr zahlreichen Besuch fand und dem das Jubelpaar trotz seiner 76 bezw. 78 Jahre fast bis zum Schlusse beiwohnte. Da der Jubilar seit Bestehen des Vereins „Concordia“ dessen fleißiges Mitglied gewesen ist, so wollte auch der Vorstand dieses Vereins, an der Spitze Herr Kaplan Hillmann, bei dem Feste nicht fehlen; letzterer nahm das Wort, um einige auf das Fest passende Gedanken in hübscher Rede zum Ausdruck zu bringen und mit einem Hoch auf das Jubelpaar, welchem er auch noch das diamantene Jubelfest wünschte, zu schließen. Der Gesangchor des Ver-eins erschien mit Fahne und Transparent im Saale und trug durch den Gesang mehrerer Chorlieder unter Leitung des Herrn Bolten sehr zur Hebung der Feier bei. Ein Jugendfreund des Jubilars erzählte aus der „guten alten Zeit“, auch nahm Herr Kaplan Hillmann noch einmal Gelegenheit, in seiner Eigenschaft als Präses des Arbeitervereins auf das schöne nachbarliche Verhältniß hinzuweisen, welchem dieses Fest zu verdanken sei: alle Stände seien an demselben betheiligt, obschon der Jubilar ein einfacher schlichter Handwerker sei, ein solches Fest sei daher in sozialer Hinsicht vom größten Werthe. Sein Hoch galt dem Festcomite. Die Polonaise machte das Jubelpaar rüstig voranschreitend bis zum Schlusse mit, darauf folgten weitere Tänze für die übrigen Festtheilnehmer. Die Musikkapelle des Herrn Wirth gab mehrere Konzertstücke zum Besten; Herr P. Schmitter erfreute die Festtheilnehmer durch ein Gesangsolo, so daß nach jeder Richtung für Unterhaltung und Stoff zu heiterer Stimmung gesorgt wurde. Die Jubeleheleute werden des Festtages gewiß stets freudvoll gedenken; möge ihr Lebensabend sich sorglos und angenehm gestalten, wie es einem in Ehren ergrauten Ehepaare gebührt. Wie wir hören, hat das Comite dafür Sorge getragen, daß dem bejahrten Pärchen als klingendes Andenken an seinen Ehrentag ein namhafter Geldbetrag überreicht werden kann.“

Mit einer Anzeige in der Gladbacher Volkszeitung am 25. Mai 1889 bedankten sich Cornelius Esser und Frau bei „allen Denen, welche zur Verherrlichung unserer goldenen Hochzeit beigetragen, besonders den Herren vom Fest-Komitee, Nachbaren und Freunden, sowie auch dem Gesangschore der Concordia.“

Familie Piotrowski

Am 27.1.1750 heiraten in Granaty (Dobriner Land) Stanislaus Piotrowski und Elisabeth, meine Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern.

In Granaty wird am 24.10.1770 Lukas geboren, seine Eltern sind Stanislaus und Elisabeth Piotrowski.

Am 8.2.1790 heiratet in Zaborowo Lukas Piotrowski aus Granaty die Witwe Marianna Czaplinska, geborene Kowalska. Die Dörfer Zaborowo und Granaty liegen etwa 15 Kilometer weit auseinander, beide Dörfer liegen in der  heutigen polnischen Woiwodschaft Kujawien-Pommern. 

Das erste Kind der Eheleute Lukas und Marianna Piotrowski ist Stanislaus, geboren am 10.4.1791.

Der Vater von Lukas, Stanislaus verstirbt am 10.3.1793 im Alter von ca. 70 Jahren in Granaty. 

Am 12.9.1802 wird Michael in Zaborowo geboren, seine Eltern sind Lukas und Marianna Piotrowski.

Lukas Piotrowski verstirbt am 23.1.1815 in Zaborowo.

In Zaborowo verstirbt am 24.6.1878 Michael Piotrowski.

14 Jahre vor seinem Tod hat Michael 1864 bei einem Notar seinen letzten Willen in polnischer Sprache verfaßt. Hinterlegt wurde sein Testament beim Königlich-Preußischen Kreisgericht in Strasburg, Westpreußen. Der letzte Wille meines Ur-Ur-Ur-Ur-Großvaters liegt heute im Staatsarchiv von Thorn/Torun. 

140 Jahre später bin ich wahrscheinlich der erste aus der Familie der einen Blick in das Testament geworfen hat. Meine Ur-Ur-Ur-Großmutter Eva hat nichts geerbt.  

Pongs

„Die Toten sind unter den Lebenden, immerzu. Sie wohnen in den Erinnerungen, in den alten Fotos und den Briefen von damals. Sie ziehen durch die Träume. Sind gegenwärtig an den Familientischen, bei Kaffee und Kuchen, wenn von früher erzählt wird. Und sie verschwinden erst ganz, wenn auch die sterben, die sich an sie erinnern.“

Brief vom 9.1.1919 – geschrieben in Tours/Frankreich

31139 Willy Pongs Reservist

P.W.Labor.Co. 103
A.P.O. 708
Amer. E.F.

9.1.19 Meine liebe Marta!
Sende Dir bei guter Gesundheit die herzlichsten
Grüße und wünsche Dir ………….
Angehörigen ein recht fröhliches neues Jahr.
Es geht mir noch gut, was ich auch von
Euch allen hoffe, am liebsten möchte ich aber mal
wissen, wie es mit Dir ……………. ist.
Vor 8 Wochen habe ich die erste Karte
mit meiner Adresse an dich abgesandt,
……… aber bis heute noch keine Antwort
darauf, hoffentlich bekomme ich aber bald
wieder einmal Post von Dir und auch
von meiner Mutter möchte ich nochmal
ein Lebenszeichen haben. Wie ist es mit
meinen Brüdern, sind sie eigentlich noch mit
dem Leben davon gekommen oder sind sie
noch in letzter Stunde ein Opfer des Krieges
geworden, hoffentlich nicht. Nun grüße alle Lieben,
besonders meine Mutter und sei selbst noch
herzlich gegrüßt u. geküsst, von deinem Willy,
auf Wiedersehen und bleib mir treu.