Das Findelkind von Jeleń – 1906

Eintrag im Geburtsregister des Standesamts Jellen, Kreis Strasburg vom 08.12.1906, Nr. 82/1906:

„Der Rittergutsbesitzer und Amtsvorsteher zu Chelst hat angezeigt, daß in der Nacht vom 1. zum 2. Juli des Jahres tausend neun hundert und sechs von der etwa 50 Jahre alten Witwe Blank wohnhaft in Czekanowko vor deren Wohnung ein ungeführ vier bis sieben Tage altes Mädchen lebend aufgefunden worden ist. Das Kind war mit einem weißen Leinenhemde und zwei grauwollenen Jäckchen bekleidet und in zwei rosarote Katuntücher sowie einer grauen Schürze eingewickelt. Erkennungszeichen sind nicht vorhanden. Die Nachforschungen nach der Mutter des Kindes sind bisher ohne Erfolg geblieben, weshalb das Kind der Einsassenfrau Marie Sumkowski in Neu Zelun in Pflege gegeben worden ist. Es hat den Namen Martha Findeisen erhalten.
Nebenstehend den gesamten Vordruck gestrichen. Zu der Eintragung ist die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erteilt.
Der Standesbeamte
Borkowski“

Die Russen in Górzno – 1914

Oberförster Fritz Schuster (1859-1944) in seinem Buch Erinnerungen aus meinem Leben:

Wir atmeten förmlich auf, als schon am 23/31. August 1914 Hindenburg und Ludendorf die Tannenbergschlacht siegreich schlugen und nicht weniger als über 90.000 Gefangene machen konnten. Nun rollten die Züge in rascher Folge in umgekehrter Richtung mit Gefangenen westwärts. Wie sich herausstellte, war auch meine frühere Oberförsterei Ruda und Umgebung von der Tannenbergschlacht in Mitleidenschaft gezogen. Während der Schlacht soll in dem Oberförstereigehöft in Ruda eine Zeit lang ein höherer russischer Stab gelegen haben. Dem Gute Guttowo – 20 Min. von Ruda entfernt – ist dabei
sehr übel mitgespielt worden. Plündernde Soldateska haben sicherem Vernehmen nach das Gut nach allen Regeln der Kunst gebrandschatzt und das große Gutshaus mit den umfangreichen Wirtschaftsgebäuden dem Erdboden gleichgemacht. Mir liegt noch aus der Kriegszeit ein Zeitungsartikel eines Lokalberichterstatters aus dem Górznower Käseblättchen vor, der das fürchterliche Hausen der russischen Horden hinreichend illustriert. Es lautet wörtlich:

„Wie die Russen um Gorzno Krieg führten
Es stürmten plötzlich etwa 40 russische Reiter im vollsten Galopp in das Städtchen Górzno (½ Stunde vom Oberförstergehöft Ruda entfernt) bis auf den Marktplatz. Dort machten sie halt. Alle Telegraphenstangen wurden umgehauen, dann plünderten sie das Warenhaus Caspar, die Waren schafften sie auf Górznoer Fuhrwerken über die Grenze. Post und Zollamt sind aufgelöst. Nachdem all dieses geschehen war, kam das Gros der Russen, ca. 4000 Mann russ. Kavallerie angesprengt, mit Feldküche und einigen Kanonen sowie sämtl. Bagage. Sie schlugen den Weg nach Radosk ein, bogen dann zu dem Weg nach der Oberförsterei Ruda ein, wo ebenfalls die Telegraphenstangen an der Chaussée abgehauen wurden und begaben sich nach Guttowo Gut. Dort loderten bald Feuersäulen auf. Unsere Radfahrerkompagnie begegnete dem Feind, wobei der Leutnant sein Leben verlor. Auf dem Rückwege stürmten etwa 40 Russen zu Pferde nach der Grenze über Górzno zurück. Das Gros der Russen ist auf Umwegen weitergezogen und soll sich in dem Forst um Guttowo und Górzno aufhalten.“

Zufallsfund aus dem Amtsblatt Münster von 1910

Königliches Amtsgericht
4365. Gegen den unten beschriebenen, welcher sich verborgen hält, soll eine durch Urteil des königlichen Schöffengerichts in Gelsenkirchen vom 15. März 1910 wegen Hausfriedensbruchs, begangen in Gelsenkirchen, Kreis Gelsenkirchen, in der Nacht vom 22./23. Juli 1909, erkannte Gefängnisstrafe von einer Woche vollstreckt werden.
Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in das nächste Gerichtsgefängnis abzuliefern sowie zu den hiesigen Akten 14 D. Nr. 612/09 sofort Mitteilung zu machen.
Gelsenkirchen, den 24. Oktober 1910.
Königliches Amtsgericht

Personenbeschreibung: Familienname Kaminski, Vorname Peter, Stand und Gewerbe Bergmann, anscheinend Alter 33 Jahre alt, geboren am 21. Oktober 1877 zu Janowko, Kreis Strasburg i. Westpr., letzter Aufenthaltsort (Wohnung) Gelsenkirchen, Viktoriastraße 23.

Ist Peter Kaminski aus Janowko mit mir verwandt ? Ich weiß es nicht. Peter Kaminski wohnte in Gelsenkirchen in der Viktoriastraße 23. Familie Jendrian wohnte in der Viktoriastraße 11.

Die Geburtsurkunde von Peter Kaminski, Nr. 94/1877 Standesamt Augustenhof/Pol. Brzozie, Vater Johann Kaminski und Mutter Anna Kaminska, geb. Urlik

 

Wahl zum 8. Deutschen Reichstag 1890

Gorzno, 20. Februar. (Reichtagswahl). Hier erhielten Hobrecht (nationalliberal) 54, Schnackenburg (freisinnig) 10, v. Rozycki (Pole) 164 Stimmen

Wladyslaw von Rozycki, geb. am 12. August 1833, katholisch. Besuchte das Gymnasium in Kulm. Widmete sich seit 1850 der Landwirtschaft, übernahm 1855 das väterliche Rittergut Zajaczkowo, Kr. Löbau, und erwarb 1861 das Rittergut Wlewsk, Kr. Strasburg. Von 1890 bis 1898 war von Rozycki Mitglied des Deutschen Reichstags für den Wahlkreis Regierungsbezirk Marienwerder 3 (Graudenz, Strasburg, Westpr.) und die Polnische Fraktion.

Das preußische Dreiklassenwahlrecht, das die Stimmen der Wähler nach der Höhe ihres Steueraufkommens gewichtet, begünstigt besonders die Begüterten: Unternehmer, Grundbesitzer und Akademiker sind erste Wahl.

Bei der Reichtagswahl 1890 erhielt die Polnische Fraktion 3,4 % der Stimmen im Deutschen Reich.

Vergewaltigung im Walde – 1884

Die Thorner Presse, Ausgabe Nr. 278 vom 26. November 1884, Seite 3, berichtet in der Rubrik „Aus dem Schwurgericht“ folgendes:
Gegen den Einwohner Anton Kuczminski aus Zaborowo, zuletzt in Pr. Lanke, gegen die Sittlichkeit und Raubes. Der Vorgang, wie ihn die Anklage schildert, ist in kurzem folgender. Die unverehelichte Rogaszynski, aus Polen kommend, hatte die Absicht, ihren bei Strasburg wohnenden Onkel zu besuchen. Als sie die Chausse von Lautenburg nach Strasburg passierte, gesellte sich der Angeklagte zu ihr, welcher ihr seine Begleitung anbot, da er einen näheren Weg nach Strasburg, der durch einen Wald führe, wisse. Das arglose Mädchen nahm die Begleitung Kuczminski´s an. Im Walde angekommen verlangte plötzlich jedoch K. von dem Mädchen Geld und als dieses ihn ängstlich frug, wie viel er haben wollte, warf er sie zu Boden und vergewaltigte sie. Das Mädchen, welches um Hilfe schrie, schüchterte er mit der Drohung, sie zu ermorden, wenn sie weiter schreie, ein. Nach der That raubte er der P. Rogaszynski noch ein Paket, welches sie bei sich trug und in dem sich ein Umschlagetuch und ein paar Schuhe befanden, sowie den Betrag von 5,50 Mark. – Die Staatsanwaltschaft hatte, in Anbetracht des Umstandes, daß das Verbrechen auf öffentlicher Straße ausgeführt, eine Zuchthausstrafe von 6 Jahren beantragt. Der Gerichtshof erkannte auf 5 ½ Jahr Zuchthaus.

Wirt unter Mordverdacht – 1900

Die Thorner Presse, Ausgabe Nr. 80 vom 5. April 1900, Seite 5, berichtet in der Rubrik „Provinzialnachrichten“ folgendes:
Vor einigen Tagen wurde ein Gastwirth aus Misionskowo hiesigen Kreises wegen Mordverdachts verhaftet. Soviel bisher verlautet, wurde ein in das Gasthaus einkehrender Mann, der etwa 200 Mark Geld bei sich hatte, am nächsten Tage furchtbar zugerichtet in einer Kammer des Gasthauses vorgefunden, von wo aus er laut um Hilfe gerufen hat, als Gäste das Lokal betraten. Der Wirth, der zunächst einen anderen der Thäterschaft verdächtigte, ist von dem Schwerverletzten als alleiniger Thäter bezeichnet worden.