Zdroje und das Unesco-Kulturerbe

Die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit (englisch Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity) ist eine von drei internationalen Listen, die die UNESCO erstellt. Auf der Liste des immateriellen Kulturerbes steht z.B. das Baguette aus Frankreich. Der traditionelle Herstellungsprozess des französischen Baguettes umfasst das Wiegen der Zutaten, das Mischen, Kneten, Fermentieren, Teilen, Entspannen, Formen, Gären, Markieren des Teigs mit flachen Einschnitten und das Backen. Immaterielles Kulturerbe sind in Polen z.B. die Kraukauer Weihnachtskrippen. In Polen gehören zum immateriellen Kulturerbe auch die Flößerei sowie die Baumimkerei bzw. die Waldbienenzucht .

 Von Zdroje nach Bartniczka gibt es nur eine Straße

Meine Urgroßeltern kommen aus Zdroje, einem kleinen Straßendorf in der Landgemeinde Bartniczka, im Powiat Brodnicki in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern in Polen. Bartniczka zählt knapp 5.000 Einwohner und besteht aus 13 Dörfern. Die Siedlung Zdroje ist so klein, das sie keinen Dorfstatus besitzt. Die Waldbienenzucht war in Zdroje schon früh bekannt. Hans Plehn schreibt in seiner 1900 erschienenen Abhandlung „Die Geschichte des Kreises Strasburg in Westpreußen“ u.a.: „Bartniczka war … dem Namen nach eine Beutnerei.“

Auszug Hans Plehn, Die Geschichte des Kreises Strasburg in Westpreußen

Im deutschen nannte man die damaligen Imker Zeidler oder Beutner, im polnischen wurden sie Bartnik genannt. Das Wappen der Gemeinde Bartniczka, besteht aus einem Baumstamm und drei Bienen. Einmal im Jahr findet in Bartniczka ein Honigfest statt.

Wappen der Gemeinde Bartniczka, Quelle Wikipedia, gemeinfrei

Der Beruf des Honigsammlers entwickelte sich im frühen Mittelalter. Man hieb alten Bäumen künstliche Höhlen (Beuten) in etwa sechs Meter Höhe ein und versah den Eingang mit einem Brett, in das ein Flugloch eingebracht war. Ob eine Beute von Bienen beflogen wurde oder nicht, hing ganz vom natürlichen Umfeld ab und wechselte jedes Jahr. Die Waldbienenzucht in lebenden Bäumen ist Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend aus Europa verschwunden.

Imker beim Honigsammeln, Quelle Wikipedia, gemeinfrei

Das in den Wälder des preußischen Königs gefällte Holz war als Bau- und Brennholz für die Industrialiersung von wirtschaftlicher Bedeutung. Für den Abtransport des Holzes wurde bei Zdroje ein „Floss Canal“ gebaut, die Brynica (Branitza) wurde kanalisiert. Über die Drwęca (Drewenz) wurde das Holz mit Flößen an die Ostsee und in das Ruhrgebiet transportiert.

Kartenausschnitt mit dem „Floss Canal“ bei Zdroje

Bei Bartniczka wurden die Hölzer der Königlichen Forstwälder Ruda und Brinsk für die öffentlichen Versteigerungen in einer Holzablagestelle gesammelt. 

Versteigerungs-Bekanntmachung in der Thorner Presse vom 25. Februar 1885

„Holzversteigerungs-Bekanntmachung.
Am Freitag, den 13. März cr., sollen im Klebschen Gasthofe zu Bartniczka von Vormittags 11 Uhr ab ca. 1500 Stück Kiefern-Nutzhölzer der I.-IV. Tarklasse mit ca. 1800 Festmeter öffentlich meistbietend verkauft werden. Die Hölzer liegen an der Holzablage zu Bartniczka zum Verflößen bereit.
Kauflustige werden zu dem Termin mit dem Bemerken eingeladen, daß zu dem Tarwerth, welcher ca. 15000 M beträgt, die zu verausgabenden Fuhrlöhne sc. zugeschlagen werden. Die sonstigen Bedingungen werden in dem Termin selbst bekannt gemacht werden. Die Hölzer können auf der Ablage zu jeder Zeit besichtigt werden.
Ruda, den 25. Februar 1885
Der königliche Oberförster.“

Flisak (Flößer) auf der Drwęca (Drewenz)

Die Brynica (Branitza) mündet bei Brodnica (Strasburg) in die Drwęca (Drewenz). Die Drwęca (Drewenz) ist ein rechter Nebenfluss der Wisla (Weichsel) und war bis zur Entwicklung von Eisenbahnen und Straßen eine wichtige und bequeme Handelsroute. Seit dem Mittelalter wurde Handel mit Toruń (Thorn) und Gdansk (Danzig) betrieben. Getreide, Teer, Pelze, Asche und Holz wurden auf dem Fluß transportiert. Von der Ostsee kamen gesalzene Lebensmittel und Salz.

Die Drwęca (Drewenz) in Brodnica (Strasburg)

Seit Fertigstellung des Kanał Elbląski (Oberlandkanal) mit seinen fünf Rollbergen im Jahr 1860 gibt es auch eine Verbindung vom Drwęca-See bei Ostróda (Osterode) zum Hafen von Elbląg (Elbing) an der Ostsee. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn wurde der Transport von Gütern auf dem Kanał Elbląski vollkommen bedeutungslos. 

Rollberge am Kanał Elbląski (Oberlandkanal)

Zdroje, das Dorf mit dem immateriellen Kulturerbe der Menschheit. wartet darauf entdeckt zu werden !!!

Der Novemberaufstand von 1830/31 (1)

Auf dem Marktplatz in der polnischen Kreisstadt Brodnica, dem früheren Strasburg, Westpreußen, erinnert eine kleine Skulptur an die Ereignisse im Oktober 1831. Der Novemberaufstand der Polen war gescheitert, die Reste der polnischen Armee überquerten am 5. Oktober 1831 bei Brodnica die preußische Grenze und legten die Waffen nieder, Mit der Niederschlagung des Aufstandes begann die Grande Émigration (polnisch: Wielka Emigracja), die Flucht der polnischen Elite, Soldaten, Offiziere, Literaten und Künstler in das westliche Europa,  vor allem nach Frankreich. 

Das Bild „Finis Poloniae. Abschied der Polen von ihrem Vaterlande“ malte Dietrich Monten 1832. Um einem Grenzstein mit der Aufschrift „Finis Poloniae“ versammeln sich trauernde polnische Offiziere mit einer zerrissenen Fahne. Monten erinnert mit seinem Bild an den gescheiterten Novemberaufstand von 1830 sowie den Grenzübertritt der polnischen Truppen nach Preußen im Oktober 1831. Das Bild hängt in der Berliner Nationalgalerie.

Dietrich Monten: „Finis Poloniae 1831“ , bpk / Staatliche Museen zu Berlin / Andreas Kilger

Der gelbe Pfeil: Der Grenzstein befindet sich in der Nähe der Bachor Mühle, zwischen Górzno und Jastrzębie und die Grenze teilte Rußland und Preußen.

Der orange Pfeil: General Maciej Rybiński  (*24. Februar 1784 in Slawuta; †17. Januar 1874 in Paris) war der letzte Oberbefehlshaber während des Novemberaufstandes von 1830/31 und führte die polnische Armee am 5. Oktober 1831 nach Preußen

Der rote Pfeil: Das ist die Bauernkate von meinem Urahn Michael Piotrowski in Zaborowo, durch dessen Vorgarten, die polnische Armee mit 19.877 Personen, darunter 9 Generäle, 89 Stabsoffiziere und 416 Unteroffiziere nach Brodnica zog. Mit dabei 95 Kanonen mit Gespannen, 5.280 Kavalleriepferde und 2.556 Artilleriepferde. Zusammen mit der Armee gingen auch die aufständischen Behörden, darunter der letzte Präsident der Nationalregierung, Bonawentura von Niemojowski, sowie Mitglieder des Sejm und zahlreiche Politiker ins Exil.

Auf dem Kartenausschnitt sind die preußisch-russische Grenze, die Bachor Mühle und die Dörfer Zdroje und Zaborowo in Westpreußen zu sehen. Die Mühle von Bachor war der erste Ort in Preußen den General Rybiński mit seinen Soldaten erreichte. Entlang des Flußes Pissa zog die Armee dann weiter Richtung Bartnitzka.

W.v.Dankbahr, Kapitain im Königlich Preußischen Generalstabe schrieb 1832 u.a.: „Auf Grund des getroffenen Uebereinkommens überschritten am 5 ten Oktober 1831 die Reste der polnischen Hauptarmee von Sczutowe her, das preußische Gebiet zu Jastrziembien und nach der Bachor-Mühle, legten die Waffen nieder und bezogen die ihnen angewiesenen Bivouak Plätze mit der Hauptmasse bei Strasburg und mit einer kleinen Abtheilung bei der Bachor Mühle, von preußischen Truppen, Sanitäts-Rücksichten wegen, umschlossen.“

Die „Sanitäts-Rücksichten“ beziehen sich vermutlich auf die Cholera. Die gegen den polnischen Novemberaufstand eingesetzten russischen Truppen brachten die aus Indien kommende Cholera 1831 nach Europa. Alternativ kommt die Ruhr in Frage, im Lager an der heutigen Ulica Sądowa in Brodnica müssen die hygienischen Zustände, den Berichten nach, katastrophal gewesen sein. 

Polnischer Flüchtling 1831, Quelle Wikipedia, gemeinfrei

Die polnischen Soldaten wurden 1831 von meinem Urahn Michael Piotrowski in seiner armseligen Bauernkate in Zaborowo begeistert begrüßt.  

Julius Mosen   (1803-1867) beschreibt in seinem Gedicht „Die letzten Zehn vom vierten Regiment“ den gescheiterten Aufstand und den Weg der letzten zehn Grenadiere nach Preußen.

Stahlstich „Die letzten zehn des 4. Regiments“ von Georg Benedikt Wunder (1786–1858), Quelle Wikipedia gemeinfrei

„In Warschau schwuren Tausend auf den Knien
Kein Schuss im heil’gen Kampfe sei getan!‘
Tambour, schlag an! Zum Schlachtfeld lasst uns ziehen –
Wir greifen nur mit Bajonetten an!
Und ewig kennt das Vaterland und nennt
Mit stillem Schmerz sein viertes Regiment!

 Und als wir dort bei Praga blutig rangen
Kein Kam’rad hat einen Schuss getan
Und als wir dort den Blutfeind zwangen –
Mit Bajonetten ging es drauf und dran!
Fragt Praga, das die treuen Polen kennt –
Wir waren dort das vierte Regiment!

Drang auch der Feind mit tausend Feuerschlünden
Bei Ostrolenka grimmig auf uns an
Doch wussten wir sein tückisch‘ Herz zu finden –
Mit Bajonetten brachen wir uns Bahn!
Fragt Ostrolenka, das uns blutend nennt –
Wir waren dort das vierte Regiment!

Und ob viel wack’re Männerherzen brachen
Doch griffen wir mit Bajonetten an!
Und ob wir auch dem Schicksal unterlagen
Doch hatte keiner einen Schuss getan!
Wo blutigrot zum Meer die Weichsel rennt
Dort blutete das vierte Regiment!

Doch weh, das heil’ge Vaterland verloren!
Ach fraget nicht, wer uns das Leid getan!
Weh allen, die in Polenland geboren
Die Wunden fangen frisch zu bluten an!
Und fragt ihr, wo die ärgste Wunde brennt –
Ach, Polen kennt sein viertes Regiment!

Von Polen her im Nebelgrauen rücken
Zehn Grenadiere in das Preußenland
Mit dumpfem Schweigen, gramumwölkten Blicken
Ein „Wer da?“ schallt – sie stehen fest gebannt!
Und Einer spricht : „Vom Vaterland getrennt –
Die letzten Zehn vom vierten Regiment!“

Ade, ihr Brüder, die zu Tod getroffen
an unsrer Seite dort wir stürzen sahn
Wir leben noch, die Wunden stehen offen
und um die Heimat ewig ist´s getan
Herr Gott im Himmel, schenk´ ein gnädig End´,
uns letzten noch vom vierten Regiment.“

1914 – Russische Horden auf dem Marktplatz von Gorzno

Aus der Thorner Presse vom 2. September 1914:
Wie die Russen um Gorzno Krieg führten, darüber berichtet die „Strasburger Zeitung“: Es stürmten plötzlich etwa 40 russische Reiter im vollsten Galopp in das Städtchen Gorzno bis auf den Marktplatz. Dort machten sie Halt. Alle Telegraphenstangen wurden umgehauen. Dann plünderten sie das Warenhaus D. Kasper; die Waren schafften sie auf Gorznoer Fuhrwerken über die Grenze. Post und Zollamt sind aufgelöst. Nachdem all dies geschehen war, kam das Gros der Russen, annähernd 4000 Mann russische Kavallerie, angesprengt mit Feldküche und einigen Kanonen, sowie sämtlicher Bagage. Sie schlugen den Weg nach Radosk ein, bogen dann in den Weg nach der Oberförsterei Ruda ein, wo ebenfalls die Telegraphenstangen an der Chaussee abgehauen wurden, und begaben sich nach Guttowo Gut. Dort loderten bald Feuersäulen auf. Unsere Radfahrerkompagnie begegnete dem Feinde, wobei der Leutnant der Radfahrer-Abteilung sein Leben einbüßte. Auf dem Rückwege stürmten etwa 40 Russen zu Pferde nach der Grenze über Gorzno zurück. Das Gros der Russen ist auf Umwegen weitergezogen und soll sich in der Forst um Guttowo und Gorzno aufhalten.“

Oberforstmeister Fritz Schuster (1859-1944) schreibt in seinen Buch „Erinnerungen aus meinem Leben“ über den Kriegsbeginn in Gorzno: „Wie sich herausstellte, war auch meine frühere Oberförsterei Ruda und Umgebung von der Tannenbergschlacht in Mitleidenschaft gezogen. Während der Schlacht soll in dem Oberförstereigehöft in Ruda eine Zeit lang ein höherer russischer Stab gelegen haben. Dem Gute Guttowo – 20 Min. von Ruda entfernt – ist dabei sehr übel mitgespielt worden. Plündernde Soldateska haben sicherem Vernehmen nach das Gut nach allen Regeln der Kunst gebrandschatzt und das große Gutshaus mit den umfangreichen Wirtschaftsgebäuden dem Erdboden gleichgemacht. Mir liegt noch aus der Kriegszeit ein Zeitungsartikel eines Lokalberichterstatters aus dem Górznower Käseblättchen vor, der das fürchterliche Hausen der russischen Horden hinreichend illustriert.“

Aus der Presse

1704 wurde in Hamburg in einer Wochenzeitung eine polnische Münze für Kaufleute beschrieben, herausgegen von König Sigismund III, anläßlich des Polnisch-Schwedischen Krieges von 1629. Im Text wird auf die Schlacht von Górzno hingewiesen. Auf der Rückseite der Münze sind u.a. der Polnische Adler und der litauische Reiter zu sehen. Außerdem das Wappen mit drei Kronen für Schweden. 

Cremanns in Polen

Cremanns ist ein sehr seltener Familienname in Polen. Bis jetzt konnte ich noch niemanden mit diesem Namen in Polen finden. In Tczew (Dirschau) kommt der Name einmal vor.

Peter Cremanns kam als Soldat im 1. Weltkrieg aus Köln nach Górzno. Er wurde verwundet und lernte im Lazarett von  Górzno Apolonia Kaminska kennen, die dort als Krankenschwester arbeitete.

Apolonia Kaminska und Peter Cremanns heiraten 1916 in Górzno. 

Am 11. Januar 1920 trat um 4 Uhr nachmittags der Versailler Vertrag in Kraft und Westpreußen wurde polnisch. 

Der Versailler Friedensvertrag gab das polnische Staatsbürgerrecht in den vom Deutschen Reich abgetretenen Gebieten (Westpreußen) nur denjenigen Deutschen, die dort geboren waren oder seit dem 1.1.1908 gewohnt hatten. Zwischen 1920 und 1926 verließen 600.000 bis 800.000 Deutsche die an Polen abgetretenen Gebiete von Posen und Westpreußen.

Damals ging auch Peter Cremanns wieder zurück ins Rheinland. Ich vermute das Peter Cremanns als Deutscher aus Polen ausgewiesen wurde !

Apolonia und Peter Cremanns hatten zwei Kinder. Viele Menschen mit dem Familiennamen Cremanns kann es daher in Polen auch nicht geben !!!

Nach seiner kurzen Zeit in Górzno hatte Peter Cremanns aber immer noch Kontakt zur Familie – denn er hat meine Urgroßeltern in Essen-Schonnebeck besucht. Einsicht in das komplizierte Familienleben der Cremanns hatten wohl erst die Nazi-Deutschen. Nach zwanzig Jahren der Trennung gab es, während des Krieges eine Familienzusammenführung. Ehefrau, Tochter, Schwiegersohn und Enkelkinder kamen nach Haiger in den Lahn-Dill-Kreis. Dort lebte auch Peter Cremanns.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Familienzusammenführung der Nazis so ganz freiwillig erfolgte. Meine Großmutter erzählte mir, das ihre Cousine Gertrud Ansel (Kaminska, Cremanns) ein „P“ auf der Kleidung tragen mußte und als Sklavenarbeiterin in der Rüstungsindustrie tätig war.

Peter Cremanns war zwar Deutscher, aber eins war Peter Cremanns sicher nicht, ein Nazi. Scheinbar waren der 1. Weltkrieg, anschließend die Zeit in Polen und die Trennung von der Familie so prägend für Peter Cremanns, das er in der Erforschung der Bibel seine Zuversicht gesucht hat.

Als Bibelforscher (Zeuge Jehovas) war Peter Cremanns in einem deutschen Konzentrationslager und das macht diese deutsch-polnische Familienzusammenführung während des Krieges so kompliziert.

„Mehr oder wenig freiwillig eingedeutscht“

Zu den wenigen Büchern über den Kreis Strasburg in Westpreußen gehört das 1981 erschienene Buch „Der Kreis Strasburg – Geschichte eines westpreußischen Gebietes“ von Rudolf Birkhof. Zufinden ist das Buch u.a. in der Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Warschau, unter der Signatur: 8.2 Prs /Bir / (Magazin).

Birkhof schreibt auf Seite 310 über Górzno u.a.: „1943 erhielt die Stadt mit der allgemeinen Verdeutschung die amtliche Bezeichnung „Görzberg“, einen Namen der sich bei der Bevölkerung kaum durchsetzte. Am Aufbau der Einwohnerschaft änderte sich während der sechs Jahre relativ wenig. Noch vor dem 1. September 1939 waren mehrere polnische Familien geflohen. Die übrigen verbliebenen wurden später – mehr oder wenig freiwillig – eingedeutscht. Daneben blieb der Zuzug von Deutschen aus dem Reich in bescheidenen Grenzen. 1941 wanderten 16 Familien Bessarabiendeutscher ein, die zum größten Teil polnische Bauernhöfe als Treuhänder übernahmen. Bis Oktober 1943 stieg die Einwohnerzahl auf 1991 Personen, d.h. im Vergleich zum Jahre 1933 hatte sie sich um 7,5 % vergrößert (im gesamten Kreisgebiet dagegen um 16 Prozent.“

Man sieht wohl, wes Geistes Kind der Verfasser ist, denn auf Seite 297 schreibt Birkhof im Zusammenhang mit der Stadt Lautenburg (Lidzbark), „Die Befreiung im September 1939 verbesserte die Lage der Volksdeutschen ganz entscheidend.“ Herausgegeben wurde diese Abhandlung vom Heimatkreis Strasburg der Landsmannschaft Westpreußen. In der Charta der deutschen Heimatvertriebenen ist das „Recht auf Heimat“ ein von „Gott geschenktes Grundrecht der Menschheit“.

Auf Seite 310 des Buches ist die Rede von der Tante meiner Großmutter, Apolonia Cremanns, denn die wurde damals „mehr oder wenig freiwillig eingedeutscht“. Der Rest der Familie wurde gleich mit „eingedeutscht“ und „Heim ins Reich“ gebracht bzw. nach Haiger in Hessen deportiert.(deportowany do III Rzeszy)

Zufällig fand ich einen interessanten Artikel in der Berliner Taz vom 8. Mai 1995 über die Nachbarn von Apolonia Cremanns in Zaborowo, die Familie Narodzonek: „April 42 sind sie gekommen, nachts, in schwarzen Uniformen, SS-Männer oder SA, Pani Febronia weiß es nicht mehr, sie war ein Kind damals, kaum zehn Jahre alt.
„Los, raus aus den Betten, aufstehn, anziehn, schnell, schnell!“ hieß es da, die deutschen Befehle kennt sie noch wörtlich. Sind gekommen, die Familie abholen, den Vater Jan, die Mutter Wladislawa und ihre fünf Kinder, Grzegorz, Ludwik, Henryka, Febronia und den kleinen Jan, den Sechsjährigen, der zu weinen anfing. Haben sie packen geheißen, Bettzeug und ein paar Kleider für den Arbeitseinsatz, sonst nichts. Aber Grzegorz, dem Achtzehnjährigen, ist es gelungen, unbemerkt zu fliehen. Ihn haben sie nie wiedergesehen, den Bruder, den die Deutschen dann erschossen haben im November 44. Es hatte geheißen, er habe den Partisanen geholfen.
„Ein SS-Jagdkommando hat ihn zur Strecke gebracht“, fügt da Stefan, der Förster, hinzu, und an Ort und Stelle hätten sie Grzegorz Narodzonek, gerade 20 Jahre alt, im Wald verscharrt. In Zaborowo, Kreis Brodnica, war das, da war auch Febronias Elternhaus, das Bauernhaus mit den 20 Hektar Feld, ein schmuckes Anwesen. Die Deutschen, seit September 39 als Herrenmenschen im Land, hätten mit Vorliebe die Bauern der stattlicheren Höfe geholt, die haben sie für ihre eigenen Leute frei gemacht. Haus und Hof der Familie Narodzonek haben Deutsche aus Bessarabien bekommen.“ http://www.taz.de/!1509803/

Bei einer repräsentativen Befragung von 1.000 Personen im Alter von 16 bis 92 Jahren glaubten im Februar 2018, 54 Prozent der Deutschen das ihre Familien zu den Opfern von Hitlers Politik zählten und nur knapp 18 Prozent gab zu, dass unter ihren Vorfahren, Täter der Naziverbrecher waren. Immerhin gehörten 18 % der Befragten noch zu den Gutmenschen. 

Dies berichtet die „Welt“ am 23.2.2017 unter dem Titel: „Wie sich heutige Deutsche die NS-Zeit schönlügen“.


Quellenangabe: obs/Stiftung EVZ/www.greengrafik.com/

Mich schockiert immer wieder die Unwissenheit über die Art der deutschen Besatzung und der Verbrechen in Polen. Das Ziel war die vollständige Unterordnung und Zerstörung der polnischen Gesellschaft. Es begann mit der gezielten Tötung polnischer Intellektueller am Kriegsanfang (Sonderaktion Krakau und die Lemberger Professorenmorde) und reicht bis zur Niederschlagung des Ghetto-Aufstandes 1943 und des Warschauer Aufstandes 1944.

Beim Rückzug der Deutschen war von Warschau ein elender schneebedeckter Trümmerhaufen übrig. Aus dem Stadtteil Wola mussten nach dem Warschauer Aufstand zehn Tonnen menschlicher Asche auf einen besonderen Friedhof gebracht werden. Schätzungen zufolge ermordeten die Deutschen insgesamt drei Millionen nichtjüdische Einwohner Polens. Das waren knapp 1200 täglich.

Die Wassermühle Wapionka in Górzno

Aus der im Jahr 1900 erschienen „Ortsgeschichte des Kreises Strasburg in Westpreussen“: „Die Mühle Wapionka ist im Jahre 1766 gegründet worden. Der Verwalter der bischhöflichen Plockischen Güter verlieh in diesem Jahre dem Müller Nowienski „den Grund und das Flüßchen Wapienko“, mit der Verpflichtung, hier ein Gehöft, Wohnhaus und Scheune und eine Mühle zu erbauen. Ihm wurden 5 Freijahre eingeräumt, nach deren Ablauf er 20 Scheffel Roggen und 6 Flor. preuß. „Beilgeld“ jährlich zinsen sollte. Im Jahre 1801 wurde die Mühle samt 133 Morgen Land dem Müller vererbpachtet. Wapionka gehört seit 1876 zu Stadtgemeinde Gurzno.“

Die Wassermühle Wapionka ist heute ein gemütliches Gasthaus mit Hotel, gelegen an einem schönen See, direkt im Landschaftspark Górzno-Lidzbark  (Górznieńsko-Lidzbarski Park Krajobrazowy).