Der Herr und sein Knecht

Koszelewki (Klein Koschlau) ist ein kleines Dorf, einen halben Kilometer von der Straße entfernt, die Lidzbark Welski (Lautenburg) mit Koszelewy (Groß Koschlau) verbindet. Im Jahr 1328 wurde das Dorf Koszel gegründet. Vom Komtur der Stadt Dzierzgoń (Christburg) erhielten die beiden Ritter Więcesław und sein Bruder Dobiesław 120 Włókas Land. Eine Włóka chełmińska (Kulmer Hufe) entsprach 17,838 Hektar. Auf einem Teil dieser Ländereien wurden eine neue Siedlung und ein Bauernhof gegründet. Im 14. Jahrhundert kam es vermutlich auch zu einer Teilung des Besitzes durch die beiden Brüder in Koszelewy und Koszelewki. 1578 unterstand das Dorf Koszelewki der evangelisch-augsburgischen Pfarrei in Koszelewy und seine Fläche betrug 30 Włókas (ungefähr 540 Hektar).

Zum Rittergut Klein Koschlau (Koszelewy), Kreis Neidenburg, Provinz Ostpreußen gehörten als Vorwerke das kleinere Rittergut Wassiol (Wasioly), Kreis Löbau, Provinz Westpreußen, der Wiesenhof Zombek, die Seen Tarczyny, Grady und Zakrocz sowie unbebaute Grundstücke in Tarczyny und Wery. Auf dem Rittergut gab es eine Dampfbrennerei, eine Ziegelei und ein Kalkwerk. Der Landbesitz des Rittergutes betrug 1883 ca. 6.000 Morgen (1.500 Hektar) und es gab einen Viehbestand von ca. 170 Stück, der sich bei Stallfütterung auf 400 Stück vermehren ließ. 1820 hatte das Rittergut Klein Koschlau 94 und 1905 130 Einwohner. Das Rittergut Wassiol hatte 1820 20 und 1905 10 Einwohner. Bei der Volkszählung von 1905 gab es im Vorwerk Zombek vier Einwohner. Das Soldauer Land mit dem Dorf Koschlau wurde entsprechend dem Versailler Friedensvertrag am 10. Januar 1920 an Polen abgetreten.

Im „Adelslexikon der preußischen Monarchie“ von Leopold Freiherr von Ledebur, 1855 in Berlin erschienen, wird Hermann von Engelbrechten aus Wismar, königl. Schwedischer Generallieutenant 1779 als Besitzer des Rittergutes Klein Koschlau genannt.

Von Engelbrechten, der in schwedischen und preußischen Diensten gestanden hatte, starb in einer diplomatischen Mission am 5. April 1818 in Kristianstad/Schweden. Beim Übergang von Schwedisch-Pommern an Preußen wurde von Engelbrechten 1815 mit dem Dienstgrad Generalleutnant in der Preußischen Armee angestellt und führte das 33. Infanterieregiments der Preußischen Armee. 1817 ernannte der König von Engelbrechten zum Gouverneur von Stralsund und übertrug ihm 1818 zusätzlich die Landwehrinspektion in Stralsund.

1802 und 1805 findet sich im Kirchenbuch in Klein Koschlau der Mousquetier Jakob Jendrian. In späteren Einträgen wird aus dem Musketier ein Instmann. Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm beschreibt einen Instmann als einen Einlieger, „der in eines andern hause wohnt und keine güter im dorfe hat.“ Der Soziologe Max Weber (1864 – 1920) beschreibt den Instmann als Arbeiter, Kleinunternehmer und Knechte in einer Person. Die Insten entstanden um 1800 durch die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Landreformen.

1852 wurde der Dresdener Baron Oskar Mortimer Rochus von Rochow aus dem Hause Golzow Besitzer des Rittergutes Klein Koschlau. Das 1880 in Brünn erschienene „Genealogische Taschenbuch der Ritter- und Adelsgeschlechter“ schreibt zur Familie von Rochow: Lutherisch. – Preußen (Provinz Brandenburg und Preußen) und Königreich Sachsen. – Uradel. – Besitz: a) in der Mark Brandenburg: Golzow, Jeserig, Kammerode, Klaistow, Krahne, Plessow, Reckahn, Rotscherlinde, Trechwitz und Zolchow im Kreis Zauch-Belzig, Holbeck, Schmieltendorf u. Stülpe im Kreis Jüterbog-Luckenwalde, Birkenhorst, Brösigterlake, Gortz, Ketzür, Linde und Riewend im Kreis West-Havelland, b) in Ost-Preußen: Klein-Koschlau im Kreis Neidenburg, c) im Königreich Sachsen: Strauch bei Großenhain und Märzdorf.

Baron Oscar Mortimer Rochus von Rochow, a.d. Hause Golzow, geb. den 26. April 1816, heiratete am 25. Mai 1852, Gräfin Clara Elise Henriette von NostitzRieneck, geb. 3.9.1829.

1852 mußte sich der Dienstjunge Jakob Jendrian aus Zombeck (Vorwerk von Klein Koschlau) als Kantonist zur Gestellung bei der Departements-Ersatz-Kommission in Neidenburg einfinden. Die Einberufung erfolgte meistens im Alter von 18 – 20 Jahren und die Wehrpflicht dauerte drei Jahre. Da 1851 schon einmal eine Einberufung erfolgte, könnte Jakob Jendrian ein unsicherer Kantonist gewesen sein. Meyers Konversationslexikon von 1889 definiert unsichere Kantonisten als: „Junge Leute, welche sich der Gestellung entziehen, ohne sich der Fahnenflucht schuldig zu machen; verlieren das Losungsrecht und können außerterminlich eingestellt werden, wobei ihre Dienstzeit vom nächsten Einstellungstermin an rechnet.“

Während mein Urgroßvater Michael Jendrian als Kind die Kühe auf den Klein Koschlauer Wiesen beim Wiesenhof Zombeck hütete, machte der Schaumschläger von Rochow in Dresden als ostelbischer Junker einen auf dicke Hose. Der Pleitier von Rochow hatte seinen Besitz der Sächsischen Hypotheken-Versicherungs-Gesellschaft zu Dresden verpfändet, als er 1862 einen Verleumdungsprozeß gegen den Wirthschaftsrath Kind anstrengte. Den Dresdener Nachrichten vom 13. April 1862 ist zu entnehmen: „Die letzte, nach 1 Uhr zur Verhandlung kommende Einspruchssache hat wiederum Verleumdung zum Gegenstände, wegen welcher der Privatangeklagte, Rittergutsbesitzer Oskar Mortimer v Rochow, durch früheres Erkenntniß zu 20 Thlr. Geldstrafe und in die Kosten verurtheilt ist, Baron v. Rochow ließ durch den Wirthschaftsrath Kind sein in Westpreußen belegenes Gut Klein-Koschlau verwalten, und hatte gegen diesen in Bezug auf den dort angestellten Administrator Seliger eine scharfe Kritik über schlechte Wirthschaftsführung losgelassen, namentlich daß Seliger die möblirten Zimmer seinen Schwiegereltern wohnlich eingeräumt, daß er auf den Feldern nicht inspicire, sondern mit seiner Frau spazieren fahre, daß er der Stellung unfähig, daß Seligers Frau sich jüngst zwei seidene und andere Kleider, ebenso für 50 Thlr. Leinwand gekauft, die dann verschiedene Nähmamsells verarbeitet hätten, welche Unregelmäßigkeiten in der Bewirthschaftung abzustellen sich Kind nicht veranlaßt gesehen habe. Gegen obiges Erkenntniß hat Herr von Rochow Einspruch erhoben Herr Adv. Fränzel hebt das lebhafte Interesse hervor, welches Herr v. Rochow an der Bewirthschaftung seines Eigenthums haben mußte und in den Beschwerden des Beklagten kommt Kind nur einmal vor, und dies hat das erste Erkenntniß als Verleumdung bezeichnet. Namentlich bezeichnet die Vertheidigung mit lebhaften Worten die Gründe, aus welchen v. Rochow ein volles Recht auf Freisprechung habe und zieht besonders den Art. 238 des Strafgesetzbuchs an. Ja die Wirtschaft soll so schlecht gewesen sein, daß v. Rochow bei Wiederübernahme des Gutes sofort 300 Thlr. hingegeben habe, damit sein lebendes Inventar nicht den Hungertod sterbe. Ueberhaupt glänzt die Vertheidigung durch schlagende Beweise, die mitunter das Interesse des Publikums sehr in Anspruch nahmen. Die beantragte Freisprechung erfolgte gegen 3 Uhr Nachmittags. Schießlich hatte der Vorsitzende noch einen der Zuhörer darauf aufmerksam zu machen, daß er im Gerichtssaale den Hut nicht auf dem Kopfe haben dürfe.“

Der im Artikel der Dresdener Nachrichten vom 13. April 1862 genannte Gutsadministrator Seliger war legitimierter Bevollmächtigter des sich im Pfandbesitz befindlichen Rittergutes Klein Koschlau. Im Königsberger Amtsblatt findet sich ein Statut für die „Meliorations-Societät des Welle-Thals,“ vom 29. Juli 1861, dort wird Franz Seliger als Vertreter der Gläubiger genannt. Herr Oscar von Rochow, Besitzer der Klein Koschlauer Güter, war bei der Vollziehung des Statuts zugegen und genehmigte dasselbe in allen seinen Punkten durch Unterschrift.

Die wirtschaftliche Situation des Junkers von Rochow wurde nicht besser. In der Norddeutschen allgemeine Zeitung vom 20.6.1880 und 27.6.1880 wird in Anzeigen auf die Subhastation (Zwangsversteigerung) des Rittergutes Klein Koschlau am 10. Juli 1880 hingewiesen.

In der Kölnischen Zeitung vom 27.10.1883 findet sich ein Verkaufsinserat. Das Rittergut Klein-Koschlau, nebst Zubehör, bei Station Koschlau in Ostpreußen, Kreis Neidenburg, welches 1200 Morg. Rieselwiesen, 500 Morg. Niederungsboden, überhaupt ein Areal von über 6000 Morg. enthält, mit prachtvoller Ernte, vorzüglichem Viehbestand, ca. 170 Stück (bei Stallfütterung bis 400 Stck zu vermehren), massivem Wirtschaftgebäud., groß. Dampfbrennerei, Ziegelei, Kalkbrenn., Wohnhaus mit Park, Jagd, groß. Fischerei, soll aus freier Hand sehr vorteilh. f. 450.000 M. bei 50.000 M. Anz. bis 13. Nov. od. an dies. Tage in Kl.-Koschlau in d. Amtswohn. meistbiet. verk. werden. Anfr. z. freien Verkauf beantw. Herr Gustav Richter, Berlin 6, Königstr. 34. Gezeigt wird es v. Adm. Hildebrandt, Kl.-Koschlau 5“

Beim Verkaufstermin am 13. November 1883 in der Amtswohnung in Klein Koschlau handelt es sich um die erste Zwangsvollstreckung des Rittergutes durch das Amtsgericht Soldau. In der Norddeutschen allgemeinen Zeitung vom 20.9.1883, 3.10.1883 und 19.10.1883 erscheint eine Amtliche Bekanntmachung, das Subhastation-Patent des Amtsgerichtes in Soldau. Da sich kein Käufer für das Rittergut fand, wurde für den 9. April 1884 ein neuer Termin für eine Zwangsversteigerung festgelegt.

Wilhelm Pongs (1855 – 1917)

Die Familie in Zeiten des 1. Weltkrieges. Auf dem Familienfoto fehlen Wilhelm, Otto, Hugo, Alfred und Emil. Rudolf ist der Junge mit dem Matrosenanzug, daneben Elfriede und dahinter Arthur. Außerdem die Kinder Maria, Martha und Katharina.

Wilhelm Pongs starb 1917 nach dreitägiger Krankheit im Alter von 61 Jahren. Vier Söhne standen 1917 im Felde (Wilhelm, Otto, Hugo und Alfred – östlicher und westlicher Kriegschauplatz). 

1917 eine Aufnahme mit der Witwe und Kindern, u.a. Hugo.

Zdroje und das Unesco-Kulturerbe

Die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit (englisch Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity) ist eine von drei internationalen Listen, die die UNESCO erstellt. Auf der Liste des immateriellen Kulturerbes steht z.B. das Baguette aus Frankreich. Der traditionelle Herstellungsprozess des französischen Baguettes umfasst das Wiegen der Zutaten, das Mischen, Kneten, Fermentieren, Teilen, Entspannen, Formen, Gären, Markieren des Teigs mit flachen Einschnitten und das Backen. Immaterielles Kulturerbe sind in Polen z.B. die Kraukauer Weihnachtskrippen. In Polen gehören zum immateriellen Kulturerbe auch die Flößerei sowie die Baumimkerei bzw. die Waldbienenzucht .

 Von Zdroje nach Bartniczka gibt es nur eine Straße

Meine Urgroßeltern kommen aus Zdroje, einem kleinen Straßendorf in der Landgemeinde Bartniczka, im Powiat Brodnicki in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern in Polen. Bartniczka zählt knapp 5.000 Einwohner und besteht aus 13 Dörfern. Die Siedlung Zdroje ist so klein, das sie keinen Dorfstatus besitzt. Die Waldbienenzucht war in Zdroje schon früh bekannt. Hans Plehn schreibt in seiner 1900 erschienenen Abhandlung „Die Geschichte des Kreises Strasburg in Westpreußen“ u.a.: „Bartniczka war … dem Namen nach eine Beutnerei.“

Auszug Hans Plehn, Die Geschichte des Kreises Strasburg in Westpreußen

Im deutschen nannte man die damaligen Imker Zeidler oder Beutner, im polnischen wurden sie Bartnik genannt. Das Wappen der Gemeinde Bartniczka, besteht aus einem Baumstamm und drei Bienen. Einmal im Jahr findet in Bartniczka ein Honigfest statt.

Wappen der Gemeinde Bartniczka, Quelle Wikipedia, gemeinfrei

Der Beruf des Honigsammlers entwickelte sich im frühen Mittelalter. Man hieb alten Bäumen künstliche Höhlen (Beuten) in etwa sechs Meter Höhe ein und versah den Eingang mit einem Brett, in das ein Flugloch eingebracht war. Ob eine Beute von Bienen beflogen wurde oder nicht, hing ganz vom natürlichen Umfeld ab und wechselte jedes Jahr. Die Waldbienenzucht in lebenden Bäumen ist Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend aus Europa verschwunden.

Imker beim Honigsammeln, Quelle Wikipedia, gemeinfrei

Das in den Wälder des preußischen Königs gefällte Holz war als Bau- und Brennholz für die Industrialiersung von wirtschaftlicher Bedeutung. Für den Abtransport des Holzes wurde bei Zdroje ein „Floss Canal“ gebaut, die Brynica (Branitza) wurde kanalisiert. Über die Drwęca (Drewenz) wurde das Holz mit Flößen an die Ostsee und in das Ruhrgebiet transportiert.

Kartenausschnitt mit dem „Floss Canal“ bei Zdroje

Bei Bartniczka wurden die Hölzer der Königlichen Forstwälder Ruda und Brinsk für die öffentlichen Versteigerungen in einer Holzablagestelle gesammelt. 

Versteigerungs-Bekanntmachung in der Thorner Presse vom 25. Februar 1885

„Holzversteigerungs-Bekanntmachung.
Am Freitag, den 13. März cr., sollen im Klebschen Gasthofe zu Bartniczka von Vormittags 11 Uhr ab ca. 1500 Stück Kiefern-Nutzhölzer der I.-IV. Tarklasse mit ca. 1800 Festmeter öffentlich meistbietend verkauft werden. Die Hölzer liegen an der Holzablage zu Bartniczka zum Verflößen bereit.
Kauflustige werden zu dem Termin mit dem Bemerken eingeladen, daß zu dem Tarwerth, welcher ca. 15000 M beträgt, die zu verausgabenden Fuhrlöhne sc. zugeschlagen werden. Die sonstigen Bedingungen werden in dem Termin selbst bekannt gemacht werden. Die Hölzer können auf der Ablage zu jeder Zeit besichtigt werden.
Ruda, den 25. Februar 1885
Der königliche Oberförster.“

Flisak (Flößer) auf der Drwęca (Drewenz)

Die Brynica (Branitza) mündet bei Brodnica (Strasburg) in die Drwęca (Drewenz). Die Drwęca (Drewenz) ist ein rechter Nebenfluss der Wisla (Weichsel) und war bis zur Entwicklung von Eisenbahnen und Straßen eine wichtige und bequeme Handelsroute. Seit dem Mittelalter wurde Handel mit Toruń (Thorn) und Gdansk (Danzig) betrieben. Getreide, Teer, Pelze, Asche und Holz wurden auf dem Fluß transportiert. Von der Ostsee kamen gesalzene Lebensmittel und Salz.

Die Drwęca (Drewenz) in Brodnica (Strasburg)

Seit Fertigstellung des Kanał Elbląski (Oberlandkanal) mit seinen fünf Rollbergen im Jahr 1860 gibt es auch eine Verbindung vom Drwęca-See bei Ostróda (Osterode) zum Hafen von Elbląg (Elbing) an der Ostsee. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn wurde der Transport von Gütern auf dem Kanał Elbląski vollkommen bedeutungslos. 

Rollberge am Kanał Elbląski (Oberlandkanal)

Zdroje, das Dorf mit dem immateriellen Kulturerbe der Menschheit. wartet darauf entdeckt zu werden !!!

Der Novemberaufstand von 1830/31 (1)

Auf dem Marktplatz in der polnischen Kreisstadt Brodnica, dem früheren Strasburg, Westpreußen, erinnert eine kleine Skulptur an die Ereignisse im Oktober 1831. Der Novemberaufstand der Polen war gescheitert, die Reste der polnischen Armee überquerten am 5. Oktober 1831 bei Brodnica die preußische Grenze und legten die Waffen nieder, Mit der Niederschlagung des Aufstandes begann die Grande Émigration (polnisch: Wielka Emigracja), die Flucht der polnischen Elite, Soldaten, Offiziere, Literaten und Künstler in das westliche Europa,  vor allem nach Frankreich. 

Das Bild „Finis Poloniae. Abschied der Polen von ihrem Vaterlande“ malte Dietrich Monten 1832. Um einem Grenzstein mit der Aufschrift „Finis Poloniae“ versammeln sich trauernde polnische Offiziere mit einer zerrissenen Fahne. Monten erinnert mit seinem Bild an den gescheiterten Novemberaufstand von 1830 sowie den Grenzübertritt der polnischen Truppen nach Preußen im Oktober 1831. Das Bild hängt in der Berliner Nationalgalerie.

Dietrich Monten: „Finis Poloniae 1831“ , bpk / Staatliche Museen zu Berlin / Andreas Kilger

Der gelbe Pfeil: Der Grenzstein befindet sich in der Nähe der Bachor Mühle, zwischen Górzno und Jastrzębie und die Grenze teilte Rußland und Preußen.

Der orange Pfeil: General Maciej Rybiński  (*24. Februar 1784 in Slawuta; †17. Januar 1874 in Paris) war der letzte Oberbefehlshaber während des Novemberaufstandes von 1830/31 und führte die polnische Armee am 5. Oktober 1831 nach Preußen

Der rote Pfeil: Das ist die Bauernkate von meinem Urahn Michael Piotrowski in Zaborowo, durch dessen Vorgarten, die polnische Armee mit 19.877 Personen, darunter 9 Generäle, 89 Stabsoffiziere und 416 Unteroffiziere nach Brodnica zog. Mit dabei 95 Kanonen mit Gespannen, 5.280 Kavalleriepferde und 2.556 Artilleriepferde. Zusammen mit der Armee gingen auch die aufständischen Behörden, darunter der letzte Präsident der Nationalregierung, Bonawentura von Niemojowski, sowie Mitglieder des Sejm und zahlreiche Politiker ins Exil.

Auf dem Kartenausschnitt sind die preußisch-russische Grenze, die Bachor Mühle und die Dörfer Zdroje und Zaborowo in Westpreußen zu sehen. Die Mühle von Bachor war der erste Ort in Preußen den General Rybiński mit seinen Soldaten erreichte. Entlang des Flußes Pissa zog die Armee dann weiter Richtung Bartnitzka.

W.v.Dankbahr, Kapitain im Königlich Preußischen Generalstabe schrieb 1832 u.a.: „Auf Grund des getroffenen Uebereinkommens überschritten am 5 ten Oktober 1831 die Reste der polnischen Hauptarmee von Sczutowe her, das preußische Gebiet zu Jastrziembien und nach der Bachor-Mühle, legten die Waffen nieder und bezogen die ihnen angewiesenen Bivouak Plätze mit der Hauptmasse bei Strasburg und mit einer kleinen Abtheilung bei der Bachor Mühle, von preußischen Truppen, Sanitäts-Rücksichten wegen, umschlossen.“

Die „Sanitäts-Rücksichten“ beziehen sich vermutlich auf die Cholera. Die gegen den polnischen Novemberaufstand eingesetzten russischen Truppen brachten die aus Indien kommende Cholera 1831 nach Europa. Alternativ kommt die Ruhr in Frage, im Lager an der heutigen Ulica Sądowa in Brodnica müssen die hygienischen Zustände, den Berichten nach, katastrophal gewesen sein. 

Polnischer Flüchtling 1831, Quelle Wikipedia, gemeinfrei

Die polnischen Soldaten wurden 1831 von meinem Urahn Michael Piotrowski in seiner armseligen Bauernkate in Zaborowo begeistert begrüßt.  

Julius Mosen   (1803-1867) beschreibt in seinem Gedicht „Die letzten Zehn vom vierten Regiment“ den gescheiterten Aufstand und den Weg der letzten zehn Grenadiere nach Preußen.

Stahlstich „Die letzten zehn des 4. Regiments“ von Georg Benedikt Wunder (1786–1858), Quelle Wikipedia gemeinfrei

„In Warschau schwuren Tausend auf den Knien
Kein Schuss im heil’gen Kampfe sei getan!‘
Tambour, schlag an! Zum Schlachtfeld lasst uns ziehen –
Wir greifen nur mit Bajonetten an!
Und ewig kennt das Vaterland und nennt
Mit stillem Schmerz sein viertes Regiment!

 Und als wir dort bei Praga blutig rangen
Kein Kam’rad hat einen Schuss getan
Und als wir dort den Blutfeind zwangen –
Mit Bajonetten ging es drauf und dran!
Fragt Praga, das die treuen Polen kennt –
Wir waren dort das vierte Regiment!

Drang auch der Feind mit tausend Feuerschlünden
Bei Ostrolenka grimmig auf uns an
Doch wussten wir sein tückisch‘ Herz zu finden –
Mit Bajonetten brachen wir uns Bahn!
Fragt Ostrolenka, das uns blutend nennt –
Wir waren dort das vierte Regiment!

Und ob viel wack’re Männerherzen brachen
Doch griffen wir mit Bajonetten an!
Und ob wir auch dem Schicksal unterlagen
Doch hatte keiner einen Schuss getan!
Wo blutigrot zum Meer die Weichsel rennt
Dort blutete das vierte Regiment!

Doch weh, das heil’ge Vaterland verloren!
Ach fraget nicht, wer uns das Leid getan!
Weh allen, die in Polenland geboren
Die Wunden fangen frisch zu bluten an!
Und fragt ihr, wo die ärgste Wunde brennt –
Ach, Polen kennt sein viertes Regiment!

Von Polen her im Nebelgrauen rücken
Zehn Grenadiere in das Preußenland
Mit dumpfem Schweigen, gramumwölkten Blicken
Ein „Wer da?“ schallt – sie stehen fest gebannt!
Und Einer spricht : „Vom Vaterland getrennt –
Die letzten Zehn vom vierten Regiment!“

Ade, ihr Brüder, die zu Tod getroffen
an unsrer Seite dort wir stürzen sahn
Wir leben noch, die Wunden stehen offen
und um die Heimat ewig ist´s getan
Herr Gott im Himmel, schenk´ ein gnädig End´,
uns letzten noch vom vierten Regiment.“

Fürs „Vaterland“ gefallen (1914 – 1918)

„Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen“, sagte der SPD-Politiker und Verteidigungsminister Boris Pistorius am Sonntag, den 29. Oktober 2023, in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.

Schon während des 1. Weltkrieges hatte der Cousin von meinem Urgroßvater, der Viersener Fabrikant Otto Wilhelm Kornelius Pongs eine Kriegsanleihe in Höhe von 15.000,- Mark zum „Gedächtnis der gefallenen Söhne“ der Stadt Viersen gestiftet. Die Geldsumme für ein Denkmal war jedoch nach Kriegsende durch die Inflation vollkommen wertlos geworden. 1925 stellte Otto Pongs für den gleichen Zweck erneut 10.000,- Mark zur Verfügung. Die feierliche Enthüllung des Denkmals fand am 8. August 1926 statt. Auf der Vorderseite des Sockels stehen lediglich zwei Worte:
F Ü R S  V A T E R L A N D
Auf der Rückseite befinden sich die Jahreszahlen
1914 – 1918
Das Denkmal befindet sich im Alten Stadtgarten von Viersen.

In der Nähe von Lens befindet sich der Ring der Erinnerung. Eine der größten Gedenkstätten der Welt mit 579.606 Namen von gefallenen Soldaten des 1. Weltkrieges in Nord-Pas-de Calais (französisches Flandern und Artois). Unter den fast 580.000 verzeichneten Namen der Gedenkstätte befinden sich Theophil Kaminski aus Zdroje und Felix Scheffler aus Polnisch Brzozie.

Theophil Kaminski aus Zdroje ruht auf der Kriegsgräberstätte in Carvin, Endgrablage Block 5 Grab 491. Theophil Kaminski fiel als Ersatz-Reservist am 28. Juli 1917.

Felix Scheffler ruht auf der Kriegsgräberstätte in Laventie, Endgrablage Block 3 Grab 95. Felix Scheffler fiel am 11. April 1918.

Heinrich Calmund aus Heimersheim (Ahr) ruht auf der Kriegsgräberstätte in Vermandovillers, Endgrablage Block 4 Grab 1304. Heinrich Calmund fiel am 24. April 1918 in Hangard. Auf dem Friedhof von Heimersheim befindet sich ein Gedenkstein mit den Namen der gefallenen Soldaten aus dem Ort.

Denkmal für die gefallenen Soldaten des 1. Weltkrieges auf dem Friedhof in Heimershein (Ahr) 

Aus dem Fotoalbum von Willy Pongs

Joseph Jendrian aus Gelsenkirchen ist vermutlich als unbekannter Soldat auf die Kriegsgräberstätte Souain überführt worden. Unter den gefallenen Soldaten im Kameradengrab befindet sich auch der Maler August Macke. Joseph Jendrian ist am 3.10.1915 bei Perthes in der Champagne gefallen. Zwischen dem 25. September und dem 6. November 1915 fand die Herbstschlacht in der Champagne statt. Die angreifenden Franzosen verloren in dieser Schlacht fast 145.000 Mann, die Deutschen etwa 72.000 Mann, davon kamen 17.500 Soldaten in Gefangenschaft. Die gescheiterte Offensive und die umsonst gebrachten schweren Verluste führten bei den Franzosen zu einer innenpolitischen Krise, u.a. wurden der Ministerpräsident und Kriegsminister ersetzt.

Boleslaus Lenski aus Gelsenkirchen, Wehrmann im Infanterie-Leibregiment 117, fiel am 13. November 1915 vormittags um 9.30 Uhr infolge eines Kopfschusses östlich der Serre. Ein Grab von Boleslaus Lenski gibt es nicht.

Eintrag in der Verlustliste 1916

Peter Piotrowski aus Zaborowo, 5. Kompanie des Westpreußischen Infanterie-Regiment Nr. 176, starb 1916. Ein Grab von Peter Piotrowski gibt es nicht, in der Verlustliste vom 12.10.1916 sowie in der Thorner Presse vom 18.10.1916 wird der Tod gemeldet. Die Schlacht an der Somme war eine der größten Schlachten an der Westfront des Ersten Weltkrieges. Sie begann am 1. Juli 1916 im Rahmen einer britisch-französischen Großoffensive gegen die deutschen Stellungen. Sie wurde am 18. November desselben Jahres abgebrochen, ohne eine militärische Entscheidung herbeigeführt zu haben. Mit über einer Million getöteten, verwundeten und vermissten Soldaten war sie die verlustreichste Schlacht der Westfront während des Ersten Weltkriegs.

Thorner Presse vom 18. Oktober 1916

Aus dem Fotoalbum von Willy Pongs

Paul Pongs aus Rheine war Angehöriger der 7. Kompagnie des Infanterie-Regiment „Herwarth von Bittenfeld“ (1. Westfälisches) Nr. 13. Das Regiment wurde ausschließlich an der Westfront in Belgien und Frankreich eingesetzt, unter anderem bei Lüttich, Namur, St. Quentin, Reims, Lille, Verdun und Sedan. Der Einsatz in der Schlacht um Verdun 1917 war besonders verlustreich. Vermutlich fiel Paul Pongs 1917 bei den Kämpfen am Höhenzug Chemin des Dames (Damenweg). Der Höhenzug Chemin des Dames gehörte zu den stark umkämpften Regionen der Westfront (Zone rouge); auf wenigen Quadratkilometern fand eine der blutigsten Materialschlachten des gesamten Krieges statt. Ein Grab von Paul Pongs gibt es nicht. In Rheine wurde zwischen 1925 – 1927 auf dem Thieberg ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet. Die Inschrift des Denkmals lautet „Unseren 780 gefallenen Kameraden – der Kriegerbund Rheine“ und erinnert an die Kämpfe in der Südsee, Gorlice, Karpathen, Tannenberg, Somme, Verdun, Kiautschou, Champagne, Marne, Balkan, Isonzo, Skagerrak, Flandern und Arras. Verzeichnet ist auch Paul Pongs.

Anzeige am 25. Januar 1925 im Rheiner Volksblatt mit der Liste der gefallenen Soldaten

Zum Gedenktag der Toten des Weltkrieges erschien am 25. Januar 1925 in der Münsterländischen Volkszeitung – Rheiner Volksblatt ein Verzeichnis der aus St. Dionysius-Pfarrgemeinde gefallen Soldaten. „Die beinahe vollendete Kriegerkapelle wartet daran an ihren Wänden in goldenen Lettern die Namen zu verewigen. Mit der Eingravierung der Namen wird in Bälde begonnen werden. Sollten noch Namen von Gefallenen oder Vermißten fehlen, bitte ich, mir dies bis nächsten Sonntag mündlich und zugleich auch am besten schriftlich gütigst mitzuteilen. Zu Ostern soll dann hoffentlich die Kapelle dauernd in Gebrauch genommen werden können und das Andenken der treuen toten Krieger für Jahrhunderte in Ehren erhalten. Fabry, Pfarrer“

Otto Pongs aus Winterwijk (Niederlande) wird seit dem 21. Oktober 1917 vermißt. Er meldete sich freiwillig zum Krieg und war Angehöriger der 12. Kompanie des Infanterie-Regiment „Hamburg“ (2. Hanseatisches) Nr. 76. Einer Karteikarte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) ist zu entnehmen, das Otto Pongs laut Nachricht des Kommandanten in einem französischen  oder englischen Kriegslazarett aufgenommen wurde. Übrig blieb nur ein Karteiblatt des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK).

Karteikarte der Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK)

Wehrmann Anton Kaminski aus Zdroje ist seit den ersten Kriegswochen in Masuren vermißt. Die Angabe Bolleschin (Boleszyn) bei Lautenburg (Lidzbark) in der Verlustliste bezieht sich auf den Geburtsort. Anton Kaminski ist der Bruder des 1917 bei Carvin gefallenen Theophil.Eintrag in der Verlustliste von 1914

Aus dem Fotoalbum von Willy Pongs

Tief im Osten, liegt das Dorf Kremesch (Кремеш, Кремеш, Kremasz) – Wolhynien, dort starb in einem österreichischen Feldlazarett am 19. Oktober 1916 Robert Esser, Leutnant der Reserve, aus Bocholt. Ein Grab gibt es von Robert Esser nicht. Verzeichnet ist er in der Verlustliste des Infanterie-Regiment Markgraf Karl (7. Brandenburgisches) Nr. 60.

Auszug aus der Verlustliste des Kriegstagebuches des Infanterie-Regiment Markgraf Karl (7. Brandenburgisches) Nr. 60

Auszug aus dem Gefechtskalender des Kriegstagebuches des Infanterie-Regiment Markgraf Karl (7. Brandenburgisches) Nr. 60

Lageplan der Schlacht bei Kowel in Wolhynien 1916

1916 – Das Unglück von Wompiersk

Am 25. Oktober 1916 erschien Anton Jendrian auf dem Standesamt in Wompiersk und zeigte den Tod des Kätners Joseph Rosinski, Wehrmann im 1. Kompanie Landsturm-ErsatzBataillon XVII.20 (XVII. Armee-Korps in Danzig) an. Laut Sterbeurkunde war Johann Rosinski 43 Jahre alt und verheiratet mit Anna Karbowska. Er starb, nach Angabe auf der Sterbeurkunde, in der Wohnung des Anzeigenden am 24. Oktober 1916 vormittags um 11.30 Uhr.

Den Tod von Anna Rosinska, geborene Karbowska, 38 Jahre alt, zeigte Anton Jendrian ebenfalls an. Anna Rosinska starb nach Angabe auf der Sterbeurkunde in der Wohnung des Anzeigenden am 24. Oktober 1916 vormittags um 11.30 Uhr.

Am 24. Oktober 1916 um 11.30 Uhr verstarb in der Wohnung des Anton Jendrian auch Waclaw Rosinski, zwölf Jahre alt und Sohn von Joseph und Anna Rosinski.

Anton Jendrian zeigte ebenfalls den Tod von Joseph Simetkowski, 19 Jahre alt und ledig, an. Die Eltern von Joseph waren der verstorbene Kätner Johann sowie Angelika (geb. Rosinska) Simetkowski. Auch Joseph Simetkowski verstarb am 24. Oktober 1916 um 11.30 Uhr in der Wohnung des Anton Jendrian.

Angaben zu den Todesursachen werden auf den vier Sterbeurkunden nicht gemacht.

Was geschah am 24. Oktober 1916 in der Wohnung des Kätners Anton Jendrian?

Anton Jendrian war der ältere Bruder meines Urgroßvaters. Ein Kätner war ein abhängiger Kleinbauer oder Tagelöhner, der in einer Kate wohnt. Wompiersk (Wapiersk) ist ein kleines Dorf in Kreis Strasburg (Brodnica) in der ehemaligen Provinz Westpreußen. Anton Jendrian war mit Katharina Rosinska verheiratet. Katharina verstarb am 17. September 1916, 37 Tage vor dem Unglückstag. Katharina war die Schwester des am 24. Oktober 1916 verstorbenen Joseph Rosinski und von Angelika Simetkowska, geb. Rosinska, der Mutter des verstorbenen Joseph Simetkowski.

Am 24. April 1917 heiratete Anton Jendrian dann die Witwe Angelika Simetkowska, geb. Rosinska. Anton Jendrian hatte ein enges Verhältnis zur Familie Rosinski aus Wompiersk.

Ein kriegerisches Ereignis in Wompiersk war für den 24. Oktober 1916 auszuschließen, der Frontverlauf war 1916 weit östlicher. Eine Antwort zum Unglück von Wompiersk fand ich zufällig in „Die Presse“, der ostmärkischen Tageszeitung aus Thorn (Torun). Die Presse berichtete am 1. November 1916 über ein tragisches Unglück in Wompiersk.

„Wompiersk, Kreis Strasburg, 28. Oktober. (Fünf Personen ertrunken.) Ein bedauernswertes Unglück hat sich hier ereignet. Besitzer Roszinski aus Wompiersk, der aus dem Felde auf Urlaub gekommen war, hatte seinen Torf wegen des schlechten Weges auf dem kürzeren Wege nach Hause schaffen wollen. Er lud den Torf auf einen Kahn und fuhr mit diesem über einen 100 Meter breiten Teich. Bei der letzten Fuhre setzten sich noch dessen Ehefrau, der Sohn, Knecht und Magd auf den Kahn, welcher in der Mitte des Teiches so schnell sank, daß alle fünf Insassen, da keine Hilfe zur Stelle war, ertranken.“

Nachricht über das Unglück in der Thorner Presse

Am 31. Oktober 1916 schrieb die Berliner sozialdemokratische Parteizeitung „Vorwärts“: Fünf Personen bei einer Kahnfahrt ertrunken. Aus Posen wird gemeldet: Als der aus dem Felde beurlaubte Besitzer Roszinski aus Wompiersk im Kreise Straßburg (Westpreußen) auf einem mit Torf beladenen Kahn über den 100 Meter breiten Teich nach Hause fahren wollte, sank der Kahn in der Mitte des Teiches und mit ihm fünf Personen: Roszinski, seine Ehefrau, sein Sohn, der Knecht und die Magd. Die Leichen sind noch nicht gefunden worden.“

Nachricht über das Unglück im Vorwärts

Die Meldung über das Unglück finden sich u.a. in den Lokalblättern „Der Gemeinnützige“ aus Iserlohn, der Lüner Zeitung, Das Volk aus Siegen, der Remscheider Zeitung, der Geldernsche Zeitung, der Dorstener Volkszeitung und Wochenblatt, dem Erft-Boten aus Bedburg. Am 3. November 1916 erschien die Nachricht in der Sächsische Dorfzeitung und Elbgaupresse, mit Loschwitzer Anzeiger, Tageszeitung für das östliche Dresden und seine Vororte sowie einen Tag später im General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen.  

„Fünf Menschen ertrunken. Ein schweres Unglück hat sich in Strasburg (Westpreußen) ereignet. Der in Wompiersk wohnende Besitzer Roszinski wollte seinen Torf des schlechten Landweges wegen auf einem Kahn über einen etwa 200 Meter breiten Teich nach Hause schaffen. Bei der letzten Fuhre setzten sich noch seine Frau, sein Sohn, ein Knecht und eine Magd auf den Kahn. In der Mitte des Teiches schlug das Fahrzeug plötzlich um und alle fünf Personen ertranken.“

Nachricht über das Unglück im General-Anzeiger für Halle und die Provinz Sachsen

Wie könnte ein mit Torf beladener Kahn ausgesehen haben?

Torfkahn in den Niederlanden, Quelle Wikipedia, Baykedevries
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Turf_praam.jpg), „Turf praam“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Der Jellen-See bei Wompiersk/Wapiersk

Der Unglückort von 1916 könnte sich möglicherweise am Jellen-See bei Wompiersk/Wapiersk befinden.  Zumindest ist die Frage geklärt, was am 24. Oktober vormittags um 11.30 Uhr in Wompiersk, Kreis Strasburg, Westpreußen, geschah. Über die ertrunkene und unbekannte Magd des Besitzers Rosinski finden sich keine Hinweise.

Otto Pongs und Graf „Wölfi“ Berghe von Trips

Soldatenfriedhof Ittenbach, 21. Oktober 2023

Der „Heldentod“ meines Onkels Otto hat die deutsche Bürokratie mehrere Jahre beschäftigt. Laut Karteikarte wurde meinen Großeltern der Tod am 28.7.1950 bestätigt, vorher gab es einen intensiven Schriftverkehr zwischen der Wehrmachtauskunftstelle, dem Einwohnermeldeamt in Kiel, dem Bürgermeister von Aegidienberg, dem Pfarrer in Windhagen und meinem Großvater. Das mein Onkel im März 1945 gefallen und am Waldrand von Rederscheid begraben wurde, wußten meine Großeltern schon kurz nach Kriegsende. Tot ist tot – für die deutsche Bürokratie offensichtlich nicht.

Wolfgang Alexander Albert Eduard Maximilian Reichsgraf Berghe von Trips (1928 – 1961 Unfalltod in Monza beim Großen Preis von Italien) und letzter Nachkomme des niederrheinischen Adelsgeschlechts verbrachte die Kriegsjahre im abgeschiedenen Westerwalddorf Rederscheid in einem „Ferienhaus“ bei der Familie Manz.

Burg Hemmersbach bei Horrem, war 1751 bis zum Unfalltod der Stammsitz der Familie Berghe von Trips. Graf Berghe von Trips, Senior, war in den 1940er Jahren der Pächter des Jagdgebietes der Gemeinde Rederscheid.

Am 7. März 1945 eroberte die 9. US-Panzerdivision überraschend die Eisenbahnbrücke bei Remagen über den Rhein. Die Deutschen versuchten alles, um die strategisch wichtige Brücke zu sprengen. 10 Tage später stürzte die Brücke ein, zu diesem Zeitpunkt hatte sich die US-Army schon auf der rechten Rheinseite festgesetzt. Der Rheinübergang am 7. März 1945, hatte erhebliche psychologische Wirkung. Die US-Armee ging nun voller Optimismus in die letzten Kämpfe. Und die deutschen Soldaten wussten nun ebenso wie die Zivilbevölkerung, dass der Krieg verloren war. Nach der Eroberung der Rheinbrücke war das nächste strategische Ziel die Autobahn bei Aegidienberg um die deutschen Truppen von der Versorgung abzuschneiden. Die 9. US-Panzerdivision besetzte nach schweren Kämpfen Aegidienberg am 16. März 1945. Das hartumkämpfte Dorf Rederscheid fiel am 17. März 1945 in amerikanische Hände. Otto Pongs fiel laut Angabe der Karteikarte zwischen den 12. und 18. März bei den Kämpfen in der Gemeinde Aegidienberg, Grablage Waldrand Rederscheid.

Am Waldrand wurde Otto Pongs und weitere gefallene Soldaten u.a. von „Wölfi“ Berghe von Trips nach den Kampfhandlungen begraben. Der Graf schrieb meinen Großeltern einen Brief und informierte Sie über den Tod.

Einige Monate später waren mein Vater und sein Onkel Hugo dann in Rederscheid am Grab. Den letzten Brief hatte mein Onkel am 2. Februar 1945 aus Fanö in Dänemark geschrieben. Daher war der „Einsatz“ im Siebengebirge kurz vor Kriegsende schon eine Überraschung für die Angehörigen.

Die Reichsgräfin hatte in ihrem Schweizer Internat eine Schulfreundin aus dem Hause Pongs, daher war Ihr der Familienname und Gladbach bestens vertraut. Auf die Frage, ob mein Onkel ihre Schulfreundin kennen würde, antwortete er mit ja, das ist meine Tante. Vielleicht ging es in dieser schweren Kriegszeit einfach nur darum, sich einmal satt zu essen. Als mein Vater mit seinem Onkel 1945 bei der Familie Berghe von Trips in Rederscheid waren, hat Onkel Hugo die wahrsten Märchen über „seine“ Schwester erzählt. Mein Vater fand das ganz nur peinlich. Vielleicht wollte Onkel Hugo nur die Gunst der Stunde nutzen um sich auch einmal satt zu essen.